Zum Inhalt springen

Massnahmen gegen «Mangellage» Erlebt Homeoffice wegen der Energiekrise ein Revival?

Die Menschen sollen wieder vermehrt ins Homeoffice wechseln, um Energie zu sparen. Doch wäre diese Massnahme sinnvoll?

Sieht man sich die aktuelle Diskussion in Deutschland bezüglich Homeoffice an, könnte man ein Déjà-vu zu den beiden Pandemie-Jahren kriegen. Wirtschaftsminister Robert Habeck hat vorgeschlagen, dass die Unternehmen aufgrund der drohenden Energiekrise im Herbst/Winter ihre Mitarbeitenden wieder vermehrt von zu Hause aus arbeiten lassen sollen. «Die Energiebilanz ist dann eine positive, wenn in den Büros nicht geheizt wird und Räume genutzt werden, die sowieso geheizt werden», sagte Habeck der Zeitung «Bild».

Wie effektiv ist Homeoffice?

Doch würden diese Massnahmen überhaupt etwas bringen? Hans-Jürgen Völz ist Chefvolkswirt beim Deutschen Bundesverband mittelständische Wirtschaft. Er findet es zwar richtig, wenn auch die Unternehmen Energie sparen sollen, denn: «Viele Haushalte sparen bereits.» Dass nun aufgrund des drohenden Energie-Engpasses vermehrt auf Homeoffice gesetzt werden soll, hält er aber für falsch: «Ich halte diesen Vorschlag für völlig unrealistisch, auf diese Art und Weise würde kein Problem gelöst werden.» Gesamtwirtschaftlich sei der Vorschlag sogar kontraproduktiv.

Nicht unbedingt der gleichen Meinung ist Harald Mayr, Umweltökonom an der Universität Zürich. «Dort wo man Homeoffice auf diese Art und Weise umsetzen kann, dass ganze Räume oder sogar Gebäude frei werden und nicht beheizt werden müssen, kann es durchaus Energie sparen.»

Mehr Homeoffice könnte sogar zu einem höheren Gasverbrauch führen.
Autor: Hans-Jürgen Völz Ökonom

Eine Studie im Auftrag des Bundesamts für Energie, noch vor der Pandemie, habe berechnet, dass Homeoffice, insbesondere durch verringerte Mobilität, weniger als ein Prozent des gesamten Energieverbrauchs der Schweiz einspare. Dies klinge nach relativ wenig, für einen einzelnen Betrieb könne die Rechnung aber anders aussehen, sagt Mayr. «Dass man möglicherweise ein ganzes Gebäude nicht beheizen muss, welches schlecht gedämmt ist. So kann die Einsparung aus Sicht eines einzelnen Betriebs deutlich mehr sein als ein Prozent.»

Für Völz aber ist es wichtig, dass unterschieden wird. «Bei Strom ist das Ganze sehr schwierig zu beurteilen, weil es stark auf die Effizienz ankommt; zum Beispiel Energiesparlampe vs. konventionelle Lampe.» Beim Gasverbrauch sehe man, dass ein Mehrverbrauch in den jeweiligen Haushalten stattfinde, der dem gesunkenen Verbrauch im Büro gegenüber gestellt werden müsse. «Mehr Homeoffice könnte sogar zu einem höheren Gasverbrauch führen.»

Er gibt ein Beispiel zum Illustrieren: «In Deutschland hat man per Gesetz Anspruch auf 20 Grad im Büro. Würde bspw. von fünf Personen trotzdem eine Person ins Büro gehen, müsste man für diese das Büro aufheizen und die anderen Personen im Homeoffice drehen die Heizung möglicherweise stärker auf als 20 Grad.»

Dämmung als entscheidendes Kriterium

Beide sind sich jedoch einig, dass die Dämmung eines Gebäudes entscheidend ist für die Energieeffizienz. «Ein gut gedämmtes neues Gebäude braucht in manchen Fällen nur ein Viertel oder noch weniger Energie im Vergleich zu einem älteren und schlechter gedämmtem Haus», sagt Mayr. Auch Völz weist darauf hin, dass es auf das Baujahr des Gebäudes ankomme.

Einig sind sie sich auch, dass jedes Unternehmen selbst entscheiden soll, wie es im Herbst/Winter handelt. Schliesslich sei kein Unternehmen mit dem anderen vergleichbar und dies gelte es zu berücksichtigen.

Tagesschau, 17.8.2022, 19:30 Uhr

Meistgelesene Artikel