Sollen Lernende künftig acht statt fünf Wochen Ferien pro Jahr bekommen? Bereits mehr als 160'000 Personen haben eine Petition unterzeichnet, die genau dies fordert. Doch was könnten zusätzliche Ferienwochen bringen – und was würden sie kosten? Einschätzungen von Jürg Schweri, Professor an der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung EHB.
SRF News: Lohnt es sich aus Sicht eines Betriebes, Lernende auszubilden?
Jürg Schweri: Es lohnt sich zum einen, weil man so den Nachwuchs sicherstellen kann – aber es lohnt sich auch finanziell. Wir haben 5000 Lehrbetriebe zu Lehrlingslöhnen, Ausbildungskosten und Arbeitsproduktivität der Lernenden befragt. Im Durchschnitt erzielt ein Unternehmen einen Nettonutzen von rund 10’000 Franken pro Lehrverhältnis.
Und was würden mehr Ferien kosten?
Drei zusätzliche Ferienwochen bedeuten, dass auf drei Lehrjahre gerechnet die Lernenden während neun Wochen im Betrieb fehlen. Das wären auch etwa 10’000 Franken, die da an Mehrkosten auf die Betriebe zukommen würden. Das würde also den Nettonutzen auf null reduzieren – oder anders gesagt, man könnte diese drei zusätzlichen Ferienwochen finanzieren ohne zusätzliche Kosten.
Die Gewerkschaften, die die Petition unterstützen, betonen, dass die Belastung der Lernenden zu gross sei. Wie schätzen Sie das ein?
Studien zeigen, dass die Belastung tatsächlich hoch ist. Das hat mit dem Eintritt ins Arbeitsleben zu tun, mit den neuen Anforderungen, die da an die Lernenden herangetragen werden, und auch damit, dass die Arbeitstage oftmals sehr lang sind. Man muss darauf achten, dass die Belastung für die Jugendlichen nicht zu gross wird. Es ist eine Doppel- oder Dreifachbelastung – man arbeitet im Betrieb mit, geht an die Berufsschule und muss vielleicht am Abend oder am Wochenende auch noch lernen. Das lässt sich auch an den Pendlerzeiten aufzeigen. Lernende pendeln täglich im Durchschnitt länger als andere Arbeitnehmende.
Jugendliche sind heute eher bereit, Belastungssituationen anzusprechen.
Ausbildungsbetriebe sagen, die Lernenden müssten auf die Arbeitswelt vorbereitet werden, da gebe es auch nur vier oder fünf Wochen Ferien. Was halten Sie von diesem Argument?
Ich glaube nicht, dass man Jugendliche, die zum Teil schon als 15-Jährige in die Lehre einsteigen, bereits an fünf Wochen gewöhnen muss. Sie sind in einer nicht immer einfachen Entwicklungsphase, darauf sollte man schon Rücksicht nehmen. Da sind auch fünf Wochen Ferien eher knapp.
Gemäss einer kürzlich publizierten Studie sind zwar 80 Prozent der Lernenden mit ihrer Lage zufrieden, bis zu 60 Prozent fühlen sich aber auch gestresst – bis hin zu Depressionen. Könnten da mehr Ferien ein Mittel dagegen sein?
Das Grundproblem, dass man sich auf die Arbeitswelt vorbereiten und sich in der Erwachsenenwelt zurechtfinden muss, wird man nicht ändern können. Eine gewisse Belastung wird immer da sein. Ferien können etwas Erholung bringen, aber wichtiger ist die Qualität der Ausbildung und ein gutes Arbeitsklima im Betrieb.
Es wird andererseits manchmal gesagt, auch wieder mit Bezug auf diese Studie, nicht die Belastung sei zu gross, sondern die Jugendlichen seien zu wenig leistungsbereit und widerstandsfähig.
Das glaube ich nicht. Jugendliche wollen eine Beziehung auf Augenhöhe, auch in der Ausbildung. Sie sind heute eher bereit, Belastungssituationen anzusprechen und wenn nötig auch die Konsequenzen zu ziehen, also ein Lehrverhältnis aufzulösen. Aber wenn das Umfeld stimmt, sind die Jugendlichen auch heute sehr motiviert.
Das Gespräch führte Klaus Bonanomi.