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Mehr Notfälle, weniger Betten Auch in der Aargauer Psychiatrie fehlt das Personal

Die Psychiatrischen Dienste Aargau haben Kapazitäten abgebaut. Nun gibt es eine Warteliste für den Notfall.

Mehr Menschen brauchen psychiatrische Behandlungen: Die Zahl psychischer Erkrankungen hat durch die Corona-Pandemie weltweit zugenommen. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Universitäten Queensland (Australien) und Washington, wie die Nachrichtenagentur DPA berichtet. Es gebe 28 Prozent mehr schwere depressive Störungen und 26 Prozent mehr Angststörungen. Auch die Zahl erkrankter Kinder steigt, wie die Hilfsorganisation Save The Children mitteilt.

Bestätigt werden diese internationalen Studien auch durch Zahlen aus dem Kanton Aargau. Allein auf der Akutstation für Kinder und Jugendliche der psychiatrischen Klinik Königsfelden in Windisch wurden von Januar bis August dieses Jahres bereits 206 Patientinnen und Patienten behandelt. Das sind mehr Eintritte als im ganzen Jahr 2019, wie die « Aargauer Zeitung » berichtet.

Psychiatrie im Aargau

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Die Psychiatrischen Dienste Aargau (PDAG) betreiben insgesamt über 460 Betten. Die Aktiengesellschaft im Besitz des Kantons hat vier Kliniken, darunter eine Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und eine forensische Psychiatrie. Sie betreibt zudem diverse Ambulatorien und Tageskliniken. Insgesamt arbeiten über 1400 Personen für die PDAG.

Im Jahr 2020 wurden rund 5240 Patientinnen und Patienten stationär behandelt, rund 15'000 ambulant.

Im Aargau gibt es trotzdem weniger Notfallplätze: Während der Bedarf an psychiatrischen Behandlungen steigt, müssen die Psychiatrischen Dienste Aargau (PDAG) nun ihre Notfallbetten reduzieren. «Wir haben auf drei Akutstationen die Kapazitäten um 20 Prozent reduzieren müssen, 11 von 60 Betten gestrichen», bestätigt Geschäftsführer Jean-François Andrey gegenüber SRF.

Die Folge davon: Es gibt eine Warteliste, aktuell warten 14 Personen auf einen Platz in der Akut-Psychiatrie. Sie werden in ambulanten Einrichtungen versorgt. «Der Aufnahmedruck ist sehr gross», sagt Andrey. Die Psychiaterinnen und Psychiater müssten eine Triage vornehmen. Nur die «schlimmsten Fälle» erhalten sofort einen geeigneten Platz.

Der Grund ist akuter Fachkräftemangel: Auch in der Psychiatrie fehle es an geschultem Personal, begründet Jean-François Andrey. Die Gründe dafür seien vielfältig. Die grössere Anzahl von Patientinnen und Patienten und die Covid-Schutzmassnahmen hätten den Druck auf das Personal noch erhöht. «Die psychische und physische Belastung hat zugenommen.»

Man versuche, die diplomierten Pflegekräfte zum Beispiel von administrativen Aufgaben oder Hotellerie-Arbeiten zu entlasten. Zudem suche man aktuell nach neuem Personal. «Sobald wir Personal haben, eröffnen wir die Betten wieder», verspricht Andrey. Allerdings: Auch in anderen psychiatrischen Kliniken fehlt Personal.

Historisches Gebäude mit Uhrenturm in der Mitte
Legende: Auch im bernischen Psychiatriezentrum Münsingen wurde im September eine Akutstation geschlossen wegen Personalmangels. Keystone

Spitäler und Kliniken rufen nach finanzieller Hilfe: Das Aargauer Kantonsparlament hat – wie viele andere auch – bereits finanzielle Entschädigungen für Spitäler und Kliniken gesprochen. «Wir sind dankbar, dass wir für den Schaden, den die Covid-Krise ausgelöst hat, entschädigt werden», sagt der Psychiatrie-Geschäftsführer.

Noch nicht beantwortet hat die Regierung allerdings eine Anfrage der psychiatrischen Dienste für zusätzliche Hilfsgelder für die Kinder- und Jugendpsychiatrie. Und das Personalproblem in den Kliniken kann auch zusätzliches Geld vom Staat vorerst nicht wirklich lösen.

Regional Diagonal, 11.10.2021, 16:30 Uhr ; 

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