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Mehr Wohnraum ETH-Studie: Einkommensschwache durch verdichtetes Bauen verdrängt

Das Gebot der Schweizer Raumplanung heisst: verdichtetes Bauen. Erstmals zeigt eine Studie die Konsequenzen.

In vielen Schweizer Städten und Agglomerationen ist in den letzten Jahren fleissig gebaut worden. Die Wohnbevölkerung ist gewachsen, und damit ist auch die Nachfrage nach Wohnraum gestiegen. Gebaut werden soll vor allem dort, wo bereits Gebäude stehen. Verdichtung heisst das Gebot in der Schweizer Raumplanung.

Verdrängung von Einkommensschwachen

Doch verdichtetes Bauen kann auch negative Folgen haben. Bei Sanierungen oder Neubauten werden Einkommensschwache oft aus den Zentren vertrieben.

Um herauszufinden, was genau die Folgen des verdichteten Bauens sind und ob dadurch gewisse Bevölkerungsschichten verdrängt werden, hat das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) der ETH Zürich einen Studienauftrag erteilt.

Die Studie kommt zum Schluss: Eine solche Verdrängung hat stattgefunden. Tendenziell mussten eher Personen mit tieferem Einkommen ihre Wohnung verlassen, weil das Gebäude abgerissen oder saniert wurde. «Das lässt sich damit erklären, dass diese Menschen in einem älteren Gebäudebestand wohnen, welcher tendenziell eher zu tieferen Preisen vermietet wird», sagt David Kaufmann, Studienautor und Assistenzprofessor für Raumentwicklung und Stadtpolitik an der ETH.

Die Studie

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Mehrfamilienhäuser an einer Strasse mit geparkten Autos.
Legende: Ein Altbau in Zürich Altstetten. KEYSTONE / Christian Beutler

Der Bericht beleuchtet die Siedlungsentwicklung und die Veränderung der lokalen Bevölkerungszusammensetzung durch Ersatzbauten und Totalsanierungen in der städtischen Schweiz. Stellvertretend dafür wurden die Daten der fünf grössten Agglomerationen Basel, Bern, Genf, Lausanne und Zürich von 2000 bis 2023 analysiert und ausgewertet. Die verwendeten Datensätze stammen vom Bundesamt für Statistik. Es handelt sich dabei um das Gebäude- und Wohnungsregister (GWR), die Gebäude- und Wohnungsstatistik (GWS), die Statistik der Bevölkerung der Haushalte (Statpop) und Einkommensdaten der Zentralen Ausgleichsstelle (ZAS).

Neben den Menschen mit tieferen Einkommen seien auch eher ältere Personen von Verdrängung betroffen, wie auch Geflüchtete, Menschen mit vorläufigem Aufenthalt und solche, die in Afrika geboren wurden.

Neue Wohnung am gleichen Ort

Oft finden die Vertriebenen in der gleichen Gemeinde wieder eine Wohnung, etwa in einem älteren Gebäude mit günstigeren Wohnungen. Manchmal finden sie auch weiter weg günstigen Wohnraum.

Lesen Sie hier den Bericht zur ETH-Studie

Sowohl für den Fall, dass ein Gebäude abgerissen wird, als auch, wenn es totalsaniert wird, besteht die Gefahr laut Kaufmann, dass die Mieten danach höher sind und Einkommensschwache verdrängt werden. Stärker ist der Effekt laut Kaufmann aber bei Ersatzneubauten, also bei abgerissenen Altbauten, die durch ein gleichartiges Bauwerk ersetzt werden.

Mehr Verdrängung in Zürich als in der Romandie

Zudem gibt es Unterschiede zwischen den verschiedenen Agglomerationen: In Zürich wurden Langzeitmietende deutlich öfter aus ihren Wohnungen verdrängt als in Genf und Lausanne – und dies, obschon in den beiden Westschweizer Städten mehr gebaut wurde als in Zürich.

Die Unterschiede lassen sich laut Kaufmann damit erklären, dass es zum einen darauf ankomme, wo noch verfügbares Bauland vorhanden sei, und zum anderen, ob es auch Industrie- und Gewerbeland gebe, das sich zum Bau von Wohnbauten umnutzen lassen würde.

Weiter hätten die Agglomerationen aber auch unterschiedliche Gesetzgebungen, so David Kaufmann. Die Romandie und neuerdings auch Basel würden versuchen, Ersatzneubauten und Totalsanierungen weniger attraktiv zu machen. Denn gerade da ist die Gefahr einer Verdrängung gross.

Rendez-vous, 24.6.2025, 12:30 Uhr ; 

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