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Das Problem der «Loverboys» - wird das Thema hochgekocht?
Aus Echo der Zeit vom 13.05.2020. Bild: imago
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Menschenhandel in der Schweiz Viel Lärm um angebliche «Loverboys»

«Loverboys» verführen Schweizer Teenager und zwingen sie in die Prostitution, heisst es. Zahlen und Fakten bleiben aber spärlich.

Es sind herzzerreissende Geschichten: Junge Männer, die Teenager verführen, ihnen eine grosse Liebe vorgaukeln, sie beschenken, bezirzen, verwöhnen und Schritt für Schritt emotional abhängig machen – nur um sie dann gezielt in die Prostitution zu zwingen.

Wer sich in der Schweiz mit «Loverboys» befasst, landet bei Irene Hirzel, Geschäftsführerin von Act212. Der Verein betreibt eine Beratungsstelle gegen Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung in Bern.

Bekannte «Loverboy»-Masche

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Die «Loverboy»-Masche ist nicht neu. Sie ist den Behörden und Expertinnen vor allem im osteuropäischen Ländern als eine von mehreren Anwerbungsmethoden bekannt. Dies bestätigt auch Lelia Hunziker von der Fachstelle Frauenhandel und Frauenmigration (FIZ) in Zürich: «Die sogenannte Loverboy-Methode ist eine von vielen Anwerbungsmethoden im Menschenhandel. Ein Mann täuscht einer Frau Liebe vor, gewinnt ihr Vertrauen und bringt die Frau in die Ausbeutung.»

Act212 setzt sich seit vier Jahren mittels Schulungen, Konferenzen und Merkblättern gegen das Phänomen ein. Mit dabei ist auch das Bundesamt für Polizei (Fedpol). Schweizweit gehen alle Bestrebungen gegen «Loverboys» zurück auf die Zahlen von Act212: 31 Meldungen in drei Jahren.

«Loverboys» auch in der Schweiz?

Doch bei diesen Zahlen wird die Sache kompliziert, denn «Loverboys» sind im Menschenhandel nichts Neues. Neu ist bloss, dass es auch Schweizer Opfer geben soll. Bei den Polizeikorps, Staatsanwaltschaften und Opferhilfen sind allerdings nur Einzelfälle bekannt.

Hirzel betont, ihre Organisation spreche von Meldungen, nicht Fällen. So könne nicht ausgeschlossen werden, dass es auch Meldungen von Eltern gebe, die mit der Partnerwahl ihrer Tochter unzufrieden seien. Es bleiben also Verdachtsfälle. Die Dunkelziffer jedoch sei gross, sagt Hirzel. Und es sei besser, früh in die Sensibilisierung zu investieren, damit die Opfer auch erkannt würden.

Simona Materni von der Schweizerischen Kriminalprävention sieht das skeptisch. Bei solchen Einzelfällen müsse das Ereignis gut aufgearbeitet werden. «Aber anhand von Einzelfällen können wir keine fundierten Präventionsbotschaften oder -tipps ableiten. Und wenn, dann wären die Präventionshinweise vage und schwammig, und das bringt nichts oder löst sogar Ängste aus.»

Breite Präventionskampagne

Trotzdem gab es eine nationale Konferenz zum Thema, Workshops, Merkblätter. Der Kanton Bern etwa informiert an den Schulen über das Phänomen. Die Kantonspolizei Bern bestätigt auf Anfrage, dass sie jeglichen Verdachtsmeldungen nachgehe. Dabei seien auch schon Fälle von sexuellem Missbrauch aufgedeckt worden. Aber Fälle von Menschenhandel habe es im Zusammenhang mit «Loverboys» nicht gegeben.

Und da liege auch das Problem, erklärt die Zürcher Staatsanwältin Runa Meier, die auf Menschenhandel spezialisiert ist. Es werde etwas gesucht, das so nur selten vorkomme. In der Folge fehlten dann die Ressourcen für die wirklichen Probleme im Menschenhandel.

Nicht über alle Zweifel erhabener Verein

Es bleibt die Frage, wieso ACT212 das Thema so stark bewirtschaftet. Die Organisation ist finanziert durch diverse Stiftungen, öffentliche Gelder (auch vom Fedpol) sowie von diversen Kirchgemeinden. Im Vorstand sitzen mehrheitlich Mitglieder von evangelikalen Organisationen, nicht Expertinnen für Menschenhandel. Allerdings betont Hirzel, dass Act212 «konfessionell und politisch neutral» sei.

Jugendliche, die in toxischen Beziehungen sind und zu Prostitution gezwungen werden, sind herzzerreissende Einzelfälle. Ob ihnen mit dem Schlagwort Menschenhandel wirklich geholfen ist, ist aber fraglich. Und fraglich bleibt auch, wem die ganze Aufmerksamkeit am meisten nützt: Den Opfern oder der Organisation, die das Thema bewirtschaftet.

Echo der Zeit, 13.5.2020, 18.00 Uhr

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