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Minderwertiges Olivenöl Beschiss mit «Extra Vergine»: Braucht es ein Billig-Label?

Viele Olivenöle der Qualität «Extra Vergine» genügen den gesetzlichen Anforderungen nicht. Braucht es ein Billig-Label?

Eine aktuelle Studie zu «Extra Vergine» Olivenölen im Detailhandel bringt das Thema wieder aufs Tapet: In den Regalen der Schweizer Detailhändler stehen viele «Extra Vergine» Produkte, die das Qualitätslabel nicht verdienen.

Verdikt im Kassensturztest von 2017: «Vernichtend»

Wie viele Öle tatsächlich falsch deklariert sind, ist umstritten. Schätzungen gehen von 20 bis 80 Prozent aus. Fakt ist: Das Problem ist seit Jahren bekannt ( siehe Kassensturz-Test 2017 ) und besteht auch heute noch. Das bestätigt Annette Bongartz, Leiterin der Forschungsgruppe für Lebensmittel-Sensorik an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW): «Es ist leider so, dass nicht immer und in allen Fällen Extra Nativ in der Flasche ist, wenn Extra Nativ draufsteht», sagt die Olivenöl-Expertin.

Detailhandel ist für Einhaltung des Gesetzes verantwortlich

Für die Kontrolle zuständig sind die Kantone, genauer: die Schweizer Kantonschemiker. Jeder Kanton kontrolliere in Stichproben jährlich Olivenöle, und überwache die Umsetzung von Beanstandungen sagt Silvio Arpagaus, Kantonschemiker des Kantons Luzern zum SRF-Konsumentenmagazin «Espresso». Weitere Kontrollen seien eine Frage der Ressourcen. Letztendlich liege die Verantwortung für die Umsetzung bei jenen, die es verkauften.

Somit liegt der Ball beim Detailhandel. Migros und Coop schreiben auf Anfrage, dass an «Extra Vergine»-Olivenöle strengste Anforderungen gestellt würden. Migros-Sprecher Marcel Schlatter führt aus: «Weil wir kein Produkt so genau anschauen wie Olivenöl, können wir heute mit grösster Sicherheit sagen, dass bei uns die Bezeichnung auch stimmt. Die Fehlerquote ist auf minimstem Niveau.» Globus gibt an, künftig häufiger Kontrollen zu machen und zu beurteilen, ob die Deklaration «Extra Vergine» noch gerechtfertigt sei.

Was heisst Extra Vergine?

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Beim Olivenöl lehnt sich das Schweizer Lebensmittelrecht an die Richtlinien der EU an. Die Vorgabe ist: Wenn die Fruchtigkeit vorhanden ist, das Öl auch sonst fehlerfrei schmeckt, also sensorisch keinen Fehler aufweist, naturbelassen ist, kalt gepresst und nicht chemisch sondern nur mechanisch verarbeitet wurde, ist es ein «Extra Vergine»-Produkt. Diese höchste Qualitätsstufe darf ein Gehalt an freien Fettsäuren von höchstens 0,8 Gramm je 100 Gramm aufweisen.

Trotz angeblich strengen Anforderungen und interner Kontrollen finden Tester in den Regalen von Migros, Coop und allen anderen Detailhändlern immer wieder schwarze Schafe. Was ist zu tun?

Eine mögliche Lösung liegt gemäss Experten in einem «Billig-Label». Olivenöle, die das Prädikat «Extra Vergine» nicht verdienen, müssten unter dem Label «Vergine» verkauft werden. So wären die gesetzlichen Vorgaben erfüllt und die Kommunikation gegenüber dem Konsumenten fair und transparent.

Bereits ein «Vergine»-Produkt bei Migros

Bei Globus ist «Vergine»-Olivenöl kein Thema: «Wir möchten nicht bereits bei der Sortimentierung auf die zweite Qualität ausweichen», schreibt das Unternehmen. Migros führt bereits seit zwei Jahren ein «Vergine»-Olivenöl. Es handelt sich um ein Produkt aus der Günstig-Linie «M-Budget». Die Detailhändlerin macht nach eigenen Angaben gute Erfahrungen damit. Coop plant, im zweiten Halbjahr ein «Vergine» Produkt ins Regal zu stellen.

Für Olivenöl-Expertin Annette Bongartz ist das eine gute Idee. Statt einem Etikettenschwindel hätten die Konsumentinnen und Konsumenten in Zukunft so ein bisschen mehr Klarheit auf dem Teller.

Damit das neue Label auch funktioniere, müsse man die Konsumenten aber noch verstärkt über «Vergine» aufklären, fordert die Expertin. Während ein minderwertigeres «Vergine»-Öl an einem guten Salat keinen Sinn mache, sei es zum Anbraten bestens geeignet.

Espresso, 20.02.20, 08.13 Uhr

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