Darum geht es: Der Nationalrat hat Ja dazu gesagt, dass kantonale Mindestlöhne durch allgemeinverbindliche Gesamtarbeitsverträge übersteuert werden können. Arbeitnehmende in Kantonen mit Mindestlöhnen müssen eventuell mit Lohnverlusten rechnen. Je nach Kanton und Branche sind mögliche Verluste unterschiedlich hoch. Das zeigen Zahlen, welche die Gewerkschaft Unia SRF zur Verfügung gestellt hat.
Diese Kantone kennen Mindestlöhne: Bisher kennen die fünf Kantone Basel-Stadt, Genf, Neuenburg, Jura und Tessin kantonale Mindestlöhne. Der Nationalrat stellt die Mindestlöhne in Genf und Neuenburg nun infrage. In den Kantonen Basel-Stadt, Tessin und Jura gelten die Mindestlöhne nur in Branchen, in denen kein allgemein verbindlicher Gesamtarbeitsvertrag (GAV) vorliegt. Dieses Prinzip – Gesamtarbeitsvertrag vor Mindestlohn – wollen die bürgerlichen Parteien nun auf Bundesebene verankern, mit Folgen für Genf und Neuenburg.
Beispiel Coiffeur/Coiffeuse: Nach Zahlen der Gewerkschaft Unia könnten Coiffeure und Coiffeusen im Kanton Genf durchaus weniger Lohn bekommen. Das Extrembeispiel sind Ungelernte im ersten Berufsjahr im Kanton Genf. Da könnte der Verlust bis zu 878 Franken im Monat betragen. Aber auch gelernte Arbeitnehmende im Kanton Genf mit mindestens drei Jahren Berufserfahrung könnten bis zu 248 Franken verlieren.
Gastronomie, Bäckerei und Metzgerei: Für ungelernte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Gastronomie im Kanton Genf könnte der Verlust bis zu 404 Franken pro Monat betragen, zeigen die Zahlen der Unia. Jene mit einer beruflichen Grundbildung könnten bis zu 50 Franken im Monat weniger verdienen. Im selben Kanton wären auch Bäcker und Metzgerinnen mit Grundbildung mit Berufsattest EBA betroffen. Bei den Bäckerinnen würde der Verlust potenziell bis zu 262 Franken betragen, bei den Fleischfachassistenten bis zu 288 Franken.
Tankstellenshops und Wäschereien: Ungelernte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kanton Genf sind auch bei den Tankstellenshops die grossen Verliererinnen und Verlier. Ihnen drohen Verluste von bis 242 Franken pro Monat. Dasselbe bei den Wäschereien: Dort droht laut der Unia den ungelernten Mitarbeitenden ein Verlust von bis zu 500 Franken. Aber auch ein Teamleiter oder eine Teamleiterin einer Wäscherei könnte bis zu 200 Franken weniger verdienen.
Befürworter des Wechsels: Das Prinzip Gesamtarbeitsvertrag vor Mindestlohn wollen die bürgerlichen Parteien auf Bundesebene verankern. Sie greifen so die Mindestlöhne in Genf und Neuenburg direkt an. Wenn Gesamtarbeitsverträge Vorrang von Mindestlöhnen hätten, dann stärke dies die Sozialpartnerschaften, so die Argumentation.
Ständerat und dann Volk? Als Nächstes wird sich der Ständerat mit der Vorlage beschäftigen. Sollte auch dieser zustimmen, dass die kantonalen Mindestlöhne von den Gesamtarbeitsverträgen übersteuert werden dürfen, wird wohl das Volk darüber abstimmen. Die SP schreibt bereits heute, dass sie nötigenfalls das Referendum ergreifen würde.