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Mindestlohn im Tessin Alle Arbeitnehmer sollen würdig leben können

  • Der Grosse Rat des Kantons Tessin stimmt der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns mit 45 zu 30 Stimmen zu.
  • Der vereinbarte Mindestlohn soll in den nächsten vier Jahren Schritt für Schritt erhöht werden.
  • Der Mindestlohn-Betrag wird als Medianlohn nach Tätigkeiten und Branchen festgelegt.
  • Der Tessin ist nebst Neuenburg und Jura der dritte Kanton, der das «würdige Leben» seiner Arbeitnehmer auf Gesetzesstufe regelt.

Nur gut die Hälfte der Angestellten ist in der Schweiz durch einen GAV geschützt. Von den 5 Millionen Erwerbstätigen unterstehen nur 1.7 Mio. einem GAV-Mindestlohn. Im Kanton Tessin regelt nun der Gesetzgeber, wo die Untergrenze für ein würdiges Einkommen liegt. Nach einer mehrstündigen, teils gehässigen Debatte stimmte der Tessiner Grosse Rat einem dynamischen Minimallohn zu und setzt so den Volkswillen von 2015 um.

Der debattierte Vorschlag der Regierung sieht einen Mindestlohn für alle Arbeitnehmer zwischen 18.75 und 19.25 Franken vor.

Der «misslungene Kuchen»

Der Mindestlohn im Kanton Tessin soll nicht wie in den Kantonen Neuenburg und Jura «fix» sein, sondern in den nächsten vier Jahren sukzessive erhöht werden. Es handle sich um einen «differenzierten Mindestlohn», betonten die Vertreter der Regierung.

Dem Entscheid war eine rund vierstündige Debatte vorausgegangen – mit zum Teil heftigem Schlagabtausch. Mehrere Parteienvertreter verglichen den Vorschlag der vorberatenden Kommission mit einem «misslungenen Kuchen».

Wirkt sich positiv auf Arbeitslosigkeit aus

Im Juni 2015 hatte das Tessiner Stimmvolk die Volksinitiative «Salviamo il lavoro in Ticino!» angenommen. Der geplante Verfassungsartikel sieht vor, dass jede Person ein Recht auf einen Mindestlohn hat, der einen «würdigen Lebensstil» sichert.

Zudem verlangt die Initiative, dass die Regierung einen Mindestlohn in einem Verhältnis zum Medianlohn je nach Tätigkeit und Branche festlegt, wenn dieser nicht durch einen Gesamtarbeitsvertrag bestimmt ist. Am Ende der Legislatur möchte die Regierung den Effekt des Mindestlohnes auf den Tessiner Arbeitsmarkt überprüfen.

Laut der Gewerkschaft Unia hat sich die Einführung einer gesetzlichen Lohnuntergrenze 2017 im Kanton Neuenburg entlastend auf die Arbeitslosenquote ausgewirkt. Auch die Ausgaben für Sozialhilfe gingen 2018 in Neuenburg gegenüber dem Vorjahr zurück. Besonders profitieren sollen gemäss Arbeitsexperten Frauen, da sie überdurchschnittlich oft in Tieflohnbranchen und Teilzeit arbeiten.

Kampf dem Lohndumping

Das Tessin gilt generell als Tieflohn-Kanton. Fast ein Viertel aller Stellen im Kanton sind Tieflohnstellen. Der Mittelwert für die gesamte Schweiz liegt bei zehn Prozent.

Die Mindestlöhne in Neuenburg und im Jura wurden auf Basis der Richtlinien für die Ergänzungsleistungen (EL) ermittelt. Diese gehen von dem aus, was ein erwachsener Mensch braucht, um über der Armutsgrenze leben zu können.

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