«Ich wollte nicht nüchtern sein, in meinem Leben waren damals zu viele Dinge im Arsch. Mit den Medikamenten zauberte ich mir einen Rausch heran, der alles wieder gut machte.» So beschreibt ein junger Mann namens Leandro seine Sucht nach Medikamenten gegenüber SRF Virus. Es sei darum gegangen, die Gefühle zu betäuben. Wie Leandro geht es auch vielen anderen Jugendlichen in der Schweiz. Der missbräuchliche Konsum von Beruhigungsmitteln wie Xanax oder Hustensirups wie Makatussin – besser bekannt als Benzos und Codein – hat zugenommen.
Es droht der Erstickungstod
Richtig gefährlich wird es, wenn die Medikamente zusammen mit Alkohol konsumiert werden. Allein im letzten Jahr starben in der Schweiz acht Jugendliche wegen sogenanntem Mischkonsum. Xanax etwa kann in Kombination mit Alkohol zu Blutdruckabfall, Schwindel und Bewusstlosigkeit führen. Im schlimmsten Fall löst es eine sogenannte Atemdepression aus, die im Ersticken enden kann.
Der Kanton Luzern scheint vom Mischkonsum besonders betroffen. Er verzeichnete 3 der 8 Todesfälle. Die Polizei hat deshalb eine Präventionskampagne gestartet, bei der Schülerinnen und Schüler flächendeckend über den gefährlichen Trend aufgeklärt werden.
Corona als Katalysator
Das Ziel der Polizei: Die jungen Menschen aufzuklären, welche Gefahren der Mix der verschiedenen Substanzen hat. «Wir wollen die Jugendlichen schon vom Einstieg abhalten», sagt Präventionschef Erwin Gräni. «Es ist wichtig, dass sie sich getrauen, Nein zu sagen und sich abgrenzen können.» Stand heute habe die Luzerner Polizei mit ihrer Kampagne bereits 7000 Schülerinnen und Schüler erreicht. Schlussendlich wolle man auch zeigen, wo sie sich Hilfe holen können.
Einer dieser Orte ist die Fachstelle Akzent in der Stadt Luzern. Aktuell gehen da viele Anfragen zum Thema Mischkonsum ein. Dies hänge einerseits sicher mit der Coronapandemie zusammen, sagt Präventionsleiterin Jacqueline Mennel. «Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Jugendliche unter der Pandemie besonders leiden. Viele Aktivitäten sind nicht mehr möglich. Das führt zu einem Frust.»
Rapper als Vorbilder
Dieser Frust ist ein möglicher Grund, weshalb der Mischkonsum unter Jugendlichen zunimmt. Ein anderer ist die Verherrlichung in der Populärkultur – in Filmen und in Liedtexten. Besonders Rapper prahlen mit ihrem Medikamentenkonsum. Der amerikanische Künstler Future etwa singt, er sei «Codeine crazy» – verrückt nach Codein. Rapper Lil Peep starb selbst unter Einfluss von Xanax und dem Opiat Fentanyl.
«Diese Musiker haben sicher einen Einfluss», bestätigt Jacqueline Mennel. «Wenn Jugendliche sich einen Rapper zum Vorbild nehmen, verführt dies natürlich zum Nachahmen.» Auch Leandro hat die Musik zum Medikamentenkonsum verführt. «Ich hörte viel amerikanischen Rap und da ist immer wieder von Xanny (Xanax) und Percy (Percocet) die Rede. Das machte mich Neugierig», sagt er gegenüber SRF Virus.
Die Neugierde führte ihn schliesslich in die Sucht. Drei Entzüge brauchte Leandro, um von den Medikamenten loszukommen. «Ich wusste, wenn ich nicht aufhöre, dann sterbe ich.»