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Misere in griechischen Camps Petition verlangt Aufnahme von Flüchtlingen

Tausende hausen in engen Baracken und Zelten auf den Inseln, Hygiene und Gesundheit sind nicht garantiert. Deshalb sollen Hunderte Flüchtlinge und Migranten in die Schweiz geholt werden.

An der Tür der Berner Heiliggeistkirche hängen 38'739 Papierfetzen und rascheln im Wind. Auf den Zettel stehen Namen, Todesdatum und Ort des Todes. Jeder Zettel steht für einen Menschen, der im Mittelmeer ertrunken ist – auf dem Weg nach Europa.

In der Kirche drin geht es um jene Flüchtlinge, die es lebend nach Griechenland geschafft haben: Mehr als 130 Hilfswerke und Flüchtlingsorganisationen stellen ihre Forderungen vor.

Zettelchen an der Kirchenmauer, eine Person studiert die Zettel.
Legende: Mehr als 38'000 Zettel mit den Namen von im Mittelmeer ertrunkenen Menschen hängen an der Berner Heiliggeistkirche. Keystone

Hausen in Campingzelten und Hütten

Unter ihnen ist auch Fabian Bracher, er leitet die Kampagne «Evakuieren jetzt». Bracher reist immer wieder auf die griechische Insel Lesbos ins Lager Moria, um zu helfen. Die Menschen würden dort bei Hitze und Kälte in kleinen Zelten und Hütten hausen. «Sie sind kaum geschützt vor dem Wetter und anderen Gefahren.»

Berichte von illegalen Pushbacks

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In letzter Zeit gibt es vermehrt Berichte von illegalen Pushbacks durch griechische Beamte. Demnach bringen die Polizisten oder Grenzwächter immer öfter ganze Flüchtlingsgruppen oder einzelne Flüchtlinge an die türkische Grenze und zwingen sie dort, ins Nachbarland zurückzukehren. Das passiere entweder schon, bevor die Flüchtlinge ein Asylgesuch stellen konnten oder neuerdings auch, wenn ihre Aufenthaltsbewilligung abgelaufen sei, so die Berichte. Die griechische Regierung ihrerseits dementiert vehement, dass es zu solchen illegalen Rückweisungen komme. Allerdings sind die Berichte inzwischen derart zahlreich, dass das UNO-Flüchtlingshilfswerk die Regierung in Athen dazu aufgefordert hat, die Vorwürfe zu untersuchen. (Rodothea Seralidou, Journalistin in Athen)

Bracher hat ein Gemeinschaftszentrum ausserhalb des Flüchtlingslagers Moria aufgebaut. «Die Leute können tagsüber dort vorbeikommen, um dem Alptraum Moria ein bisschen zu entfliehen», sagt er.

Seine und 130 weitere Organisation fordern jetzt den Bundesrat auf, mitzuhelfen, die Camps auf den griechischen Inseln zu evakuieren und die Flüchtlinge in die Schweiz zu holen. Sie haben dazu eine Petition lanciert, die mehr als 50'000 Personen unterschrieben haben.

Ein Flugzeug steht schon bereit

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Legende: Reuters

Die Organisationen erhöhen den Druck auf die Schweizer Behörden, mehr zu tun: Sie haben sich von einer deutschen Organisation bestätigen lassen, dass jederzeit ein Charterflugzeug bereitstehe, um Flüchtlinge in die Schweiz zu bringen. Zwei Flüge seien bereits finanziell gesichert. Acht grosse Schweizer Städte bieten Hilfe bei der Unterbringung an – und auch Privatpersonen hätten sich gemeldet, um Flüchtlinge bei sich privat zu beherbergen, hiess es vor den Medien in Bern.

Mit lanciert hat die Bittschrift Amnesty International. Die Schweiz habe die finanziellen Mittel und Platz in den Bundesasylzentren, um «ein grosses Kontingent» an Menschen aus den Lagern in die Schweiz zu holen, sagt Amnesty-Geschäftsleiterin Alexandra Karle. «Wir wollen die Schweiz auch ermuntern, sich für ein gerechteres Dublin-System einzusetzen.»

Zurückhaltung bei den Bundesbehörden

Ein Sprecher des Staatssekretariats für Migration (SEM) verweist darauf, dass die Schweiz bereits 23 unbegleitete minderjährige Asylsuchende, sogenannte UMAs, aus Griechenland in die Schweiz geholt hat. Und eine weitere Aufnahmeaktion solle bald folgen, so das SEM. Dabei sollen nochmals 20 bis 30 Kinder und Jugendliche in die Schweiz kommen dürfen.

KInder auf einer Fussgängerbrücke im Camp.
Legende: Unter den Menschen, die in Moria leben, sind auch viele Familien mit Kindern. Reuters

Das genügt den Petitionärinnen und Petitionären nicht. «Es wäre wichtig, dass der Bund ein Signal setzt und Hunderte Kinder holt und ihnen ein neues Zuhause bietet», sagt Karle von Amnesty. Auch Familien, alte Menschen oder schwangere Frauen müsse die Schweiz hierherholen. Die mehr als 130 Organisationen verweisen auf den Kosovo-Krieg in den 1990er-Jahren, als die Schweiz 50'000 Flüchtlinge aufgenommen hat.

SVP: Hilfe vor Ort als einzige Möglichkeit

Von einer solchen Aufnahmeaktion will man bei der SVP nichts wissen. Der asylpolitische Sprecher der SVP, Andreas Glarner, sagt, die Hilfe vor Ort sei die einzige Möglichkeit zu helfen. «Die Zustände sind teils katastrophal. Doch es nützt nichts, wenn wir die Leute hierherholen. Die Lager werden von Schleppern gleich wieder aufgefüllt.»

Die Hilfe vor Ort ist wahrscheinlich der einzige gemeinsame Nenner zwischen SVP und den Hilfswerken. Doch das geht den Petitionären entschieden zu wenig weit.

Das sagt die Journalistin Rodothea Seralidou in Athen:

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Die Hilfe vor Ort ist sicher nötig, doch mit Geld und Druck auf die griechische Regierung allein ist es nicht getan. Die Migranten und Flüchtlinge sehen Griechenland als Tor nach Europa an, deshalb ist das Problem nicht ein rein griechisches. Wenn die Flüchtlinge jedoch auf alle europäischen Staaten verteilt würden, würde es denen, die in den griechischen Lagern verbleiben, weitaus besser gehen als heute. Die Lager wären nicht mehr überfüllt – und vielleicht könnten viele Flüchtlinge sogar in Wohnungen und Hotels untergebracht werden.

Rendez-vous vom 23.6.2020, 12.30 Uhr

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