Die Studie der Universität Zürich zu Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche sorgte vor mittlerweile über zwei Jahren für Schlagzeilen. Das Ausmass: über 1000 Fälle mit über 900 Betroffenen. Diese Pilotstudie hat eine Hauptstudie zur Folge, an welcher die Forschenden momentan arbeiten. Sie rechnen dabei mit noch mehr Missbrauchsfällen.
Für die Studie durchforsten sie schweizweit Archive und Akten. Doch die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stossen zunehmend auf Widerstände, wie die NZZ kürzlich schrieb. Im Artikel ist von 2025 als «Jahr der verschlossenen Türen» die Rede, weil der Zugang zu den Akten teilweise verweigert worden sein soll.
Vaduzer Abspaltung von Chur als Ursprung
Ein Beispiel: das Erzbistum Vaduz. Als der frühere Churer Bischof Wolfgang Haas erster Erzbischof von Vaduz wurde und nach Liechtenstein umzog, wurden auch Akten von Chur nach Vaduz überführt. Dort liegen sie nun seit 30 Jahren – die Forschenden haben bislang keinen Zugang.
Der aktuelle Churer Bischof Joseph Maria Bonnemain sagt zu SRF, es sei rechtens gewesen, dass die Akten nach Liechtenstein gebracht wurden. Aber: «Man hätte in Chur ein Verzeichnis hinterlassen müssen, welche Akten dorthin gegangen sind.» Dies habe man verpasst. Deshalb wisse er auch nicht, was in diesen Akten steht. Nur so viel: Es handle sich um Akten über acht oder neun Priester.
Laut NZZ hat das Bistum Chur mehrfach versucht, zumindest eine Inventarliste zu erhalten. Diese Aufforderungen aus Chur seien unter Haas' Leitung in Vaduz aber unbeantwortet geblieben. Gespräche im Sinne eines Aktentransfers habe es nicht gegeben, sagt Bischof Bonnemain zu SRF.
Noch keine finale Entscheidung um Vaduzer Akten
Lucas Federer von der Forschungsgruppe der Universität Zürich spricht von einem kleinen Archivbestand, der für die gesamte Aufarbeitung dennoch wichtig sein könne: «Beispielsweise, wenn Personen von einer Pfarrei in eine andere versetzt wurden.» Solchen Spuren wolle das Forschungsteam nachgehen, um Versetzungen nachvollziehbar zu machen.
Der Antrag auf Einsicht in die Vaduzer Akten wurde mit Verweis aufs liechtensteinische Datenschutzgesetz abgelehnt. Das Erzbistum prüfe den Fall erneut, schreibt die NZZ. Wann eine Entscheidung fällt, ist unklar.
Dass es Fälle gegeben habe, wo Forschende während ihrer Studienarbeit nicht an Daten kamen, sei durchaus vorgekommen, bestätigt der Churer Bischof Joseph Maria Bonnemain. Dies seien aber Einzelfälle: «In den letzten Monaten gab es ein Missverständnis zwischen dem Bistum Basel und den Forschenden, inwiefern bestimmte Akten zugänglich sind. Die Forscher haben dies mit dem Basler Bischof besprochen, es wurde bereinigt.» Die Archive aller Diözesen seien offen.
Wir müssen am Ball bleiben. Immer.
Forscher Lucas Federer bestätigt dies auch für das Bistum Chur: «Wir sind auf eine sehr kooperative und konstruktive Atmosphäre gestossen. Wir haben im Bistum Chur uneingeschränkten Archivzugang.» Der Zugang sei bislang sehr unkompliziert und ohne Verzögerungen verlaufen.
Die Resultate aus der laufenden Folgestudie zu den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche präsentiert die Forschungsgruppe der Universität Zürich im Jahr 2027. Die Forschungsarbeiten sollen bis Ende kommenden Jahres abgeschlossen sein. Oder wie es Bischof Bonnemain aus Chur sagt: «Wir müssen am Ball bleiben. Immer.»