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Mit Fake News gegen Klimademos Ein Bild, das negative Emotionen schüren soll

Im Web kursiert ein Bild, das Klimademonstranten als Umweltsünder «enttarnt». Es stammt aber von der Street Parade.

Ein nächtlicher Schnappschuss am Bahnhof Zürich Stadelhofen lässt tief blicken. Zumindest auf den ersten Blick: Eine Putzequipe der SBB beseitigt, was von der Klimademo der Schweizer Jugend übrigblieb: ein gewaltiger Haufen Müll.

Prompt sehen sich Facebook-User bestätigt: Der Klima-Aufstand – nichts als ein Vorwand zum Schuleschwänzen und Partymachen! «So sah es nach der Klimademo aus. Ich bin stolz auf die Jugend, denn sie wissen, um was es geht», kommentiert ein Nutzer. Der Eintrag wird tausendfach geteilt.

Prompte Richtigstellung

Das Problem am Aufschrei der Kritiker: Das kompromittierende Bild stammt aus dem Jahr 2016. Es entstand nach der Street Parade und wurde für eine Anti-Littering-Kampagne der SBB produziert und verwendet. Die zuständige Agentur stellte den Fake postwendend klar.

Einer, der sich auskennt mit Fake News, die im Netz viral gehen, ist André Wolf von Mimikama. Die Non-Profit-Organisation hat sich zum Ziel gesetzt, Internetmissbrauch aufzuklären.

Eine Richtigstellung läuft meist im Verhältnis 1:10 einer dramatischen Falschmeldung hinterher
Autor: Andre Wolf Mitarbeiter von Mimikama

Mimikama konnte rekonstruieren, wie das Foto eine breite Öffentlichkeit erreichen konnte: «Mehrere Facebook-Gruppen veröffentlichten das Foto ungefähr gleichzeitig. Aus den Gruppen heraus landete es schliesslich auf den Timelines der Nutzer.»

Klimademo
Legende: Am vergangenen Samstag gingen zehntausende Menschen am schweizweiten Klimastreik auf die Strasse. Im Netz zweifelt manch einer an den Motiven der jüngeren Demonstranten. Keystone

Die eigentliche Quelle des Bildes konnte man zwar nicht ausfindig machen. Es sei aber davon auszugehen, dass die untereinander bekannten Facebook-Gruppen es voneinander abgeschaut und möglicherweise gezielt veröffentlicht hätten.

«Hybrid-Fakes» erreichen die Massen

Für Wolf bringt das Bild die nötigen Zutaten mit, um sich rasend schnell in den sozialen Medien zu verbreiten. «Es bestätigt eine Art Bauchgefühl, eine vorgefertigte Meinung zu dem Thema.» In ein solches «Narrativ» könne man glaubwürdig eine Falschmeldung einbetten: «Denn die sinnstiftende Erzählung dahinter wirkt überzeugend», so Wolf.

Mimikama spricht in diesem Zusammenhang von Hybrid-Fakes: ein Teil ist falsch, der andere wahr. Zumindest subjektiv. Offenbar besteht derzeit in gewissen Kreisen ein Interesse, die Klima-Proteste zu diffamieren. So hat Mimikama in dieser Woche bereits drei Fotos entdeckt, in denen die Demonstranten mit Littering in Verbindung gebracht wurden. Zwei der Fotos stammten aus der Schweiz.

Wie kann man sich gegen Fake News wappnen?

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Bekannt geworden ist Mimikama über die auf Facebook betriebene Initiative «Zuerst denken – dann klicken» (ZDDK). Doch reicht dieser Slogan, um Fake News als solche zu enttarnen? Bei der aktuellen Falschmeldung dürfte das für die meisten Facebook-User nur schwer möglich sein.

Allerdings gebe es durchaus Möglichkeiten, sich vor Fake News zu wappnen, so Wolf. «Man muss sich fragen: Welche Inhalte sprechen mich an, wofür bin ich anfällig?» Als Internetnutzer müsse man sich kritisch hinterfragen. Zudem sei Skepsis angebracht, wenn Inhalte auffallend einseitig dargestellt und der oder die Urheber nicht transparent gemacht werden.

Schliesslich lassen sich Texte und Bilder via Suchmaschinen auf ihren Ursprung hin zurückverfolgen: So lässt sich eruieren, ob Inhalte bereits früher in einem anderen Kontext verwenden wurden.

Der einzelne Nutzer kann sich zwar einen kritischen Umgang mit dem Web aneignen. Fake News aus der Welt zu schaffen, ist allerdings ungleich schwieriger: «Eine Richtigstellung läuft meist im Verhältnis 1:10 einer dramatischen Falschmeldung hinterher», sagt Wolf.

Die meist nüchterne Tonlage einer Berichtigung schaffe es kaum einmal, ähnliche Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen: «Eine Fake News greift viel stärker, sie schürt Emotionen.»

So dürfte es auch im aktuellen Fall sein: Trotz der Richtigstellungen auf Facebook und in den Medien dürfte der vermeintliche Sündenfall von Stadelhofen noch lange herangezogen werden, um die Klima-Demos zu diffamieren.

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