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Mitglied im UNO-Sicherheitsrat Die Schweiz im Schaufenster der Weltpolitik

Ohne Gegenkandidatin und mit den Stimmen von 187 der insgesamt 193 UNO-Staaten ist die Schweiz heute erstmals in den UNO-Sicherheitsrat in New York gewählt worden.

Zwanzig Jahre nach dem UNO-Beitritt und elf Jahre nach Eingabe der Sicherheitsrats-Kandidatur darf die Schweizer Diplomatie die heutige Wahl als grossen Erfolg verbuchen. Dass für den freien Sitz niemand sonst kandidierte, lag nicht nur, aber auch an der beharrlichen Kampagne des Aussendepartements von Bundespräsident Ignazio Cassis.

Gleichwohl dürften in der Schweiz selbst jene kritischen Fragen an Bedeutung gewinnen, welche die ganze Kandidatur begleitet haben: Was kann die Schweiz im mächtigsten UNO-Gremium überhaupt bewirken? Welche Risiken geht sie ein? Und was bringt ihr das?

Wortgefechte und Abstimmungsblockaden

Auf dem Papier ist der Sicherheitsrat mit seinen 15 Mitgliedstaaten das mächtigste internationale Gremium. Zur Wahrung des Weltfriedens kann es Sanktionen und Militäreinsätze anordnen. Nach internationalem Recht sind die Entscheide des Sicherheitsrats für alle Staaten der Welt verbindlich.

Tatsächlich aber ist der Sicherheitsrat zum Papiertiger verkommen. Denn neben den zehn nichtständigen Mitgliedern haben die fünf ständigen ein Vetorecht. Darunter Russland, China und die USA, die wieder häufig Entscheide blockieren, wie einst im Kalten Krieg zwischen Ost und West. Im Ukraine-Krieg ist der Rat bloss noch Schaufenster für Wortgefechte.

Keine guten Aussichten für die Schweiz, die als nichtständiges Mitglied zwischen den Grossmächten vermitteln und «ein Plus für den Frieden» (Kandidatur-Slogan) beisteuern will.

Positionen im Schaufenster

Dass die Schweiz im Sicherheitsrat regelmässig ihre Stimme abgeben muss, sei neutralitätspolitisch kein Problem, beteuert der Bundesrat immer wieder. Denn gestützt aufs internationale Recht und ihre aussenpolitischen Prinzipien beziehe sie schon heute Position zu den wichtigen Fragen der Weltpolitik. Im Ukraine-Krieg etwa hat der Bundesrat mit der Übernahme der Anti-Russland-Sanktionen für Wohlwollen im Westen gesorgt, aber auch für Schelte von Russland – und von der SVP.

Mit Beginn der Mitgliedschaft im Sicherheitsrat am 1. Januar 2023 wird die Schweiz Positionen ins Schaufenster der Weltpolitik tragen. Ein Krieg Russlands oder der USA, Sanktionen gegen den Iran oder gegen Israel? Auch wenn der Rat oft entscheidungsunfähig ist – wer wie abgestimmt hat, ist von Weltinteresse. Und die Grossmächte üben vor Abstimmungen Druck aus, um der eigenen Position zum Erfolg zu verhelfen.

Exponiertheit als Chance

Wer im Sicherheitsrat sitzt, wird unter Druck gesetzt – bisweilen aber auch umworben. Diplomatinnen und Diplomaten sehen in der Exponiertheit daher auch eine Chance. Kraft ihres Mandats bekommt die Schweiz diplomatisches Gewicht, ihre Vertreterinnen und Vertreter stehen in Kontakt mit dem Toppersonal aus Washington, Moskau und anderen Hauptstädten.

Im Schaufenster der Weltpolitik warten Chancen, Risiken und Nebenwirkungen. Der Sitzungsraum des UNO-Sicherheitsrats am Ufer des East River in New York wird 2023 und 2024 auch für die Schweizer Diplomatie zur ersten Adresse.

Sebastian Ramspeck

Internationaler Korrespondent

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Sebastian Ramspeck ist internationaler Korrespondent für SRF. Zuvor war er Korrespondent in Brüssel und arbeitete als Wirtschaftsreporter für das Nachrichtenmagazin «10vor10». Ramspeck studierte Internationale Beziehungen am Graduate Institute in Genf.

Hier finden Sie weitere Artikel von Sebastian Ramspeck und Informationen zu seiner Person.

SRF 4 News, 09.06.2022, 17 Uhr

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