Ohne Freiwillige geht in der Schweiz kaum ein Grossanlass über die Bühne. Oft ist zu hören, dass es immer schwieriger werde, genug Menschen zu finden, die sich freiwillig engagieren. Ob das tatsächlich stimmt, erklärt Cornelia Hürzeler, Vizepräsidentin der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG), im Interview.
SRF News: Wie steht es um die Hilfsbereitschaft der Schweiz?
Cornelia Hürzeler: Grundsätzlich ist die Freiwilligenarbeit in der Schweiz sehr stabil auf einem sehr hohen Niveau. Die Freiwilligenarbeit ist in der DNA der Schweiz verankert. Es wird aber schwieriger, Freiwillige zu rekrutieren, ob für Gross- oder Kleinanlässe. Da hat sich tatsächlich etwas verändert. Die einstige Selbstverständlichkeit etwa, sich in der Familie über Generationen hinweg für einen Anlass zu engagieren, hat abgenommen.
Die Veranstalter müssen heute ein ‹Buffet› anbieten, auf dem die Freiwilligen finden, was sie interessiert.
Wie passt das zusammen mit der grundsätzlich grossen Bereitschaft?
Das hat vermutlich mit dem Strukturwandel der Gesellschaft zu tun, der sich ganz besonders auf Freiwillige auswirkt. Die Individualisierung ist ein Mega-Trend. Freiwillige wollen sich nicht mehr an Organisationen binden, sondern Themen bearbeiten. Wenn nun eine Organisation auftritt und einfach ihre Freiwilligen sucht, hat sie tatsächlich Mühe, diese zu finden.
Denn die Freiwilligen suchen sich eine Organisation aus, die gerade in ihr Leben passt. Wenn das nicht der Fall ist, wechseln sie oder gründen gleich selber einen Verein. Die Organisationen müssen also versuchen, die Freiwilligen anders anzusprechen und andere Rahmenbedingungen bieten. Die Veranstalter müssen heute ein «Buffet» anbieten, auf dem die Freiwilligen finden, was sie interessiert.
Gibt es Anlässe, die weniger Mühe haben, Freiwillige zu finden?
Generell einfach ist die Suche bei Grossanlässen, denn es sind befristete Einsätze. Man muss sich nicht für längere Zeit verpflichten, und die Begeisterung für das jeweilige Thema ist in der Regel gross. Bei Grossanlässen werden allerdings viele Freiwillige für ganz kurze Zeit gesucht und man muss mit Vorlauf planen können. Das kann Probleme schaffen, weil sich immer mehr Leute kurzfristig engagieren wollen, und Zusagen erst am Vorabend kommen zu spät. Doch Grossanlässe mit langer Tradition und einer starken Community brauchen an sich gar nicht öffentlich aufzurufen und können Jahr für Jahr auf ihre Freiwilligen zählen. Etwa der ESC oder eine Weltmeisterschaft in der Schweiz.
Werden Grossanlässe auch in Zukunft genug Freiwillige finden?
Ich bin sehr optimistisch, dass das gelingt. Die Bereitschaft ist in der Schweiz extrem hoch. Aber man muss die Zielgruppen gezielt ansprechen oder überhaupt ansprechen und begeistern können. Ich habe keine Zweifel, dass die Grossanlässe auch weiterhin ihre Freiwilligen finden.
Das Gespräch führte Dominik Brand.