Heute sind Krankenkassen verpflichtet, die Rechnungen von allen Ärztinnen und Ärzten und von sämtlichen Spitälern zu vergüten, wenn diese die gesetzlichen Anforderungen erfüllen.
«Wir haben heut de facto eine Preis- und Absatzgarantie», stellt der St. Galler Mitte-Ständerat Benedikt Würth fest. Dies sei ein wesentlicher Grund, weshalb es im Gesundheitswesen zu einer Kostenexplosion komme. Wenn man hier etwas ändern wolle, müsse man beim «Vertragszwang» ansetzen.
Die Lockerung würde praktisch ausschliesslich die Ballungsregionen und die Spezialmedizin betreffen.
Schon vor zwanzig Jahren hatte der Bundesrat einen Anlauf genommen, diesen aufzuheben. Ohne Erfolg. Vor sechs Jahren war es dann der Nationalrat, der die Lockerung des Vertragszwangs wollte. Doch der Ständerat mochte dem Entscheid nicht folgen.
Nun hat im Ständerat offensichtlich ein spektakuläres Umdenken stattgefunden. Mit einer sehr klaren Mehrheit von 30 zu 12 Stimmen bei 1 Enthaltung hat sie den Vorstoss des Zuger Mitte-Vertreters Peter Hegglin angenommen, der verlangt, dass Krankenkassen nicht mehr mit allen Ärzten und Spitälern einen Vertrag abschliessen müssen. Das würde vor allem dort die Kosten dämpfen, wo heute ein Überangebot bestehe, argumentiert Hegglin: «Die Lockerung würde praktisch ausschliesslich die Ballungsregionen und die Spezialmedizin betreffen.»
Die freie Ärztewahl muss bei den Patienten bleiben, weil sie dafür unglaublich viel bezahlen.
Die Linkgsparteien, SP und Grüne, haben geschlossen gegen die Lockerung des Vertragszwangs gestimmt. Faktisch bedeute sie das Ende der freien Arztwahl, warnt der Waadtländer Pierre-Yves Maillard von der SP: «Die freie Ärztewahl muss bei den Patienten bleiben, weil sie dafür unglaublich viel bezahlen.»
Als einziger bürgerlicher Ständerat hat sich auch Mauro Poggia vom Mouvement citoyen genevois vehement gegen den Vorstoss gewehrt. Er führe dazu, dass man künftig vor jedem Arztbesuch abklären müsste, ob die Rechnung dann auch von der Krankenkasse übernommen würde. Das, so Poggia, wäre «völlig absurd».
Es ist wichtig, den Kantonen Zeit für die Umsetzung zu geben, ohne ihre Arbeiten zu behindern.
Auch der Bundesrat möchte lieber beim heutigen System bleiben. Erst vor drei Jahren, gibt Gesundheitsministerin Elisabeth Baume-Schneider zu bedenken, sei ein neues Regime eingeführt worden, das es den Kantonen erlaube, die Zahl der Ärztinnen und Ärzte auf ihrem Gebiet zu beschränken. «Es ist wichtig, den Kantonen Zeit für die Umsetzung zu geben, ohne ihre Arbeiten zu behindern.»
Doch das hat die grosse Mehrheit des Ständerates nicht beeindruckt. Für sie ist der Leidensdruck mit den stetig steigenden Krankenkassenprämien zu gross geworden.
Der Vorstoss geht nun an den Nationalrat. Erst wenn auch dieser zustimmt, muss der Bundesrat eine Vorlage zur Lockerung des Vertragszwangs ausarbeiten.