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Möglicher Strommangel Fossile Reservekraftwerke laut Studie gar nicht nötig

Der Bundesrat hat geplant, die Stromversorgung mit Gas- und Ölkraftwerken abzusichern. Doch braucht es die wirklich?

Das Reservekraftwerk im aargauischen Birr ist ans Stromnetz angeschlossen und bald einsatzbereit, zwei kleinere in der Romandie stehen schon für den Notfall parat. Und der Bund plant vier weitere grosse Kraftwerke. Insgesamt eine installierte Leistung von bis zu 1000 Megawatt.

Wir haben klar gesehen, dass es bessere Möglichkeiten als fossile Kraftwerke gibt, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Das sei zu gross geplant, meint Professor Jürg Rohrer von der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW: «Wir haben die offiziellen Studien zum Thema Versorgungssicherheit mit Strom in der Schweiz, welche vom Bund in Auftrag gegeben und begleitet wurden, analysiert, und ganz klar gesehen, dass es bessere Möglichkeiten als fossile Kraftwerke gibt, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.»

Kraftwerke zum Aufpumpen der Speicherseen

Dazu muss man wissen: Diese Öl- und Gas-Reservekraftwerke würden nicht erst im absoluten Notfall eingesetzt, sondern schon dann, wenn eine Strommangellage drohe. «Die fossilen Kraftwerke würden nicht in dem Moment, in dem er gebraucht wird, Strom produzieren. Sie würden die Speicherkraftwerke entlasten. Die eigentliche Stromproduktion in der Mangellage würde aus diesen Stauseen heraus generiert.»

Man kann die Speicherseen auch mit anderen Massnahmen schonen und dafür sorgen, dass immer eine gewisse Menge an Wasser vorhanden ist.
Autor: Jürg Rohrer Professor an der ZHAW

Anders gesagt, der Strom aus Gas oder Öl würde mithelfen, dass die Wasserkraftwerke in den Alpen für den Notfall genügend Reserven hätten. «Weil das so ist, kann man die Speicherseen auch mit anderen Massnahmen schonen und dafür sorgen, dass immer eine gewisse Menge an Wasser vorhanden ist. Solche Massnahmen sind beispielsweise Strom zu sparen oder mehr Winterstrom zu generieren», sagt Rohrer.

Zudem müssten die Stromkonzerne eine Mindestreserve an Wasser vorrätig halten – bis Ende Winter. So bräuchte es diese vier zusätzlichen geplanten Reservekraftwerke nicht. Rohrer fragt sich: «Wieso sollten wir zusätzliche 1.4 Milliarden Franken für Reservekraftwerke ausgeben, die man nur hinstellt, mit der Hoffnung, dass man sie gar nicht braucht?»

Die Staumauer an der Grimsel
Legende: Stausee an der Grimsel: Mit den Reservekraftwerken könnte Wasser hineingepumpt werden. Keystone/Gaetan Bally

Und ein Kraftwerk, das stillstehe und keinen Strom produziere, koste nur und bringe nichts ein, betont Rohrer. Deshalb würden die 1.4 Milliarden besser zur Förderung von erneuerbaren Energien und von Stromsparmassnahmen eingesetzt.

Bund will sowieso Strom sparen

«Der Bund hat in diesem Winter das Ziel, 10 Prozent des Strombedarfes einzusparen. Das wären etwa 3 Terawattstunden. Diese Einsparung ist grösser als der Beitrag, den die fossilen Kraftwerke im Worst Case leisten würden», sagt der Professor. Beim Bundesamt für Energie heisst es auf Anfrage – auch wenn man mehr Geld ausgeben könnte für erneuerbare Energien und für Stromspar-Massnahmen, dann heisse dies noch nicht, dass diese auch rascher umgesetzt werden könnten.

Für die mittlere und lange Frist seien wichtige politische Entscheide bereits gefallen oder gerade in der Diskussion, zum Stromsparen und zur Förderung der Erneuerbaren. Die Reservekraftwerke sind aber gemäss Bundesamt jetzt, aus heutiger Sicht nötig.

Es sei aber tatsächlich nicht sicher, ob dereinst alle geplanten Werke auch tatsächlich in Auftrag gegeben würden, heisst es beim Bund weiter. Es könnte sein, dass man zur Erkenntnis gelange, dass es auch mit weniger als mit den geplanten 1000 Megawatt Notfallkapazität ginge.

Rendez-vous vom 08.03.2023, 12:30 Uhr

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