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Mutation des Coronavirus Virenforscher: «Mit Reisebeschränkungen will man Zeit gewinnen»

In Grossbritannien wurde eine Mutation des Coronavirus entdeckt. Es könnte sein, dass diese neue Form ansteckender ist als die bisher bekannte. Auch in Südafrika wurde eine Mutation des Virus festgestellt. Der Biologe und Physiker Richard Neher von der Universität Basel sagt, die nun entwickelte Impfung biete sehr wahrscheinlich auch Schutz vor dieser Virusvariante.

Richard Neher

Biophysiker

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Der Biophysiker Richard Neher erforscht an der Universität Basel die Entwicklung von Viren und Bakterien. Er ist Teil der Corona-Taskforce des Bundes.

SRF News: Dass Viren sich verändern, ist normal. Daher kommt für Sie wohl auch die Mutation des Coronavirus kaum überraschend?

Richard Neher: Ja, das ist ganz normal, und wir haben in der Vergangenheit viel Zeit damit verbracht, zu erklären, dass das normal ist. Aber in dem Fall in Grossbritannien sehen wir jetzt mehr als ein Dutzend Mutationen in den Oberflächenproteinen und anderen Proteinen des Virus. Es ist überraschend und bemerkenswert, wie schnell sich das Virus in kurzer Zeit verändert hat.

Macht Ihnen diese Mutation des Virus Sorgen?

Zusammen mit der Beobachtung, dass sich das Virus schneller ausbreitet, macht uns diese Menge an Mutationen durchaus Sorgen. Aber wir gehen nicht davon aus, dass sich das Virus darin verändert hat, wie es die Krankheit verursacht. Wir denken nicht, dass sie schwerer geworden ist dadurch.

Es sieht so aus, als würde sich die Variante schneller ausbreiten, aber das ist noch nicht abschliessend geklärt.

Es heisst, die neue Form des Virus sei 70 Prozent ansteckender. Haben Sie eine Vorstellung, wie diese Zahl zustande gekommen ist?

Diese Zahl wurde geschätzt aufgrund dessen, wie diese neue Variante in Südengland die bisherigen verdrängt. Man muss die Zahl noch mit Vorsicht geniessen. Wir wissen nicht, inwiefern auch andere Gründe für diese schnelle Ausbreitung vorhanden sein könnten. Ja, es sieht so aus, als würde sich die Variante schneller ausbreiten, aber das ist noch nicht abschliessend geklärt.

Auch die Schweiz hat Flüge von und nach Grossbritannien und Südafrika gestoppt. Was bringen solche Reisebeschränkungen?

Jetzt, da diese Variante vermutlich ausserhalb von Grossbritannien sehr selten ist, können Reisebeschränkungen helfen, den Eintrag und die Ausbreitung dieser Variante zu verzögern.

Geht es auch darum, die Verbreitung zu verzögern, bis man mehr weiss?

Ja, man will im Grunde Zeit gewinnen, um die Massnahmen anzupassen und mit der sich potenziell schneller ausbreitenden Variante zurechtzukommen.

Besteht die Gefahr, dass die Impfung im Falle dieser Mutation oder auch bei weiteren späteren Veränderungen des Virus nicht mehr wirksam ist?

Davon gehen die Wissenschaftler im Moment nicht aus. Denn obwohl es sich hier um eine Reihe von Mutationen handelt, rechnen wir damit, dass das Immunsystem diese mutierte Variante des Virus nach wie vor erkennt.

Natürlich müssen wir damit rechnen, dass das Virus weiter mutiert.

Aber es ist sicher richtig, dass man das nun genau untersucht, weil es auch in Zukunft möglich sein könnte, dass man den Impfstoff aktualisieren muss, weil sich das Virus stark verändert. Aber das ist keine akute Sorge im Moment.

Rechnen Sie damit, dass später irgendwann neue Mutationen, möglicherweise noch gefährlichere, auftreten?

Ich rechne nicht damit, dass das Virus an sich gefährlicher wird. Aber natürlich müssen wir damit rechnen, dass das Virus weiter mutiert und seine Eigenschaften Schritt für Schritt verändert. In erster Linie wird sich das Virus dahingehend verändern, dass es die Übertragung optimiert. In ein paar Jahren oder Jahrzehnten werden die Veränderungen eher dahingehen, dass das Virus die Immunantwort der Menschen und die Impfung umgehen kann.

Das Gespräch führte Hans Ineichen.

SRF 4 News, 21.12.2020, 08:15 Uhr ; 

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