Wenn Aline Danioth vom Skifahren spricht, verwendet sie die ganz grossen Adjektive. Auf den Brettern fühle sie sich «unglaublich» und «unbeschreiblich». «Es gibt viele Dinge im Leben, die mir Spass machen», so die Urnerin, «das Skifahren ist aber eine ganz andere Freude».
Trauer und Unglauben
Sie musste lange warten, bis sie sich wieder so fühlen durfte. Im März hatte sich Danioth bei einem Weltcup-Riesenslalom das Kreuzband gerissen. Schon wieder – muss man leider sagen. Es war die sechste schwere Verletzung und der vierte Kreuzbandriss für die Skirennfahrerin.
«Im ersten Moment war das ein Weltuntergang», sagt sie heute. Sie habe gewusst, was eine solche Verletzung bedeutet und wie viel harte Arbeit es braucht, um wieder Skifahren zu können. Zwei Tage lang sei sie auf dem Sofa gelegen und habe geheult. «Ich fühlte viel Trauer und Unglauben.»
Das Tief nach dem Hoch
Der vierte Kreuzbandriss kam, nachdem es Danioth so gut gelaufen war wie noch nie. Bei den Olympischen Winterspielen 2022 in Peking wurde sie zehnte. Im Februar 2023 kletterte sie auf den vorläufigen Höhepunkt ihrer Karriere: Den Weltcup-Slalom im französischen Méribel schloss sie auf dem sechsten Rang ab – ihre bisher beste Klassierung. Mädchenträume seien damit in Erfüllung gegangen.
Danioth feierte diese Erfolge nach einer langen Verletzungspause, nachdem sie sich im Oktober 2020 das Kreuzband zum dritten Mal gerissen hatte. Es folgten fast zwei Jahre Rehabilitation, bis sie wieder Rennen fahren konnte. Die Urnerin hatte sich also schon einmal erfolgreich auf die Piste zurückgekämpft. Und im Frühling 2023, nach dem vierten Kreuzbandriss, entschied sie sich, es wieder zu tun.
In kleinen Schritten zum Ziel
«Ich merkte, dass es nichts bringt, nur herumzuliegen und zu heulen. Das ist eine Negativspirale», sagt Danioth heute. Also habe sie sich aufgerafft und nach neuen Zielen gesucht. Glücklicherweise habe sie nach der letzten Verletzung zusammen mit der Physiotherapie ein Rezept entwickelt, um auf dem harten Weg zurück motiviert zu bleiben.
Sie steckt sich kleine Etappen ab auf dem Weg zur Besserung. So kann sie auf diese hinarbeiten und alle vier bis sechs Wochen einen Erfolg feiern, statt ein überwältigendes Ziel vor Augen zu haben. Als sie im Juni die Krücken abgeben konnte, habe sie dies zum Beispiel regelrecht zelebriert. «Man bleibt motiviert, weil die Ziele absehbar sind.»
Comeback nächste Saison
Die Strategie scheint ein weiteres Mal aufzugehen. Vor einer guten Woche, zehn Monate nach dem Kreuzbandriss, stand Danioth wieder auf den Ski. Auf den Instagram-Fotos sieht man sie strahlen und jubeln, als hätte sie ein Rennen gewonnen. «Das war sehr emotional.»
Am liebsten würde sie nun wieder jeden Tag auf den Brettern stehen, doch sie wisse, dass das noch nicht geht. «Ich bin in einer heiklen Phase, in der ich Geduld brauche», so Danioth. Mit dem eigentlichen Slalom-Training kann sie erst in zwei Monaten beginnen. Auf die laufende Weltcup-Saison hin gibt sie ihr Comeback wahrscheinlich noch nicht. Auf die nächste jedoch schon, davon ist die 25-Jährige überzeugt. «Ich weiss, es steckt noch mehr in mir.»