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Rücktritt von Alain Berset Für die SP wird es im Bundesrat ungemütlich

Ein selbstbewusster Bundesrat tritt ab und überrumpelt das ganze Land. Der gewiefte Taktiker Alain Berset dürfte sich gefreut haben über die gelungene Überraschung. Er gibt die Bühne frei für das Ringen um seine Nachfolge um die Macht im Bundeshaus. Das sind die drei spannendsten Fragen.

Kann die SP ihren zweiten Sitz gegen grüne Angriffe verteidigen?

Die Grünliberalen wagen sich als Erste aus der Deckung und sprechen der SP ihren Anspruch auf zwei Sitze ab. Doch grünliberale Bundesratsträume dürften sich kaum erfüllen: Die Ambitionen der noch jungen Partei kommen wohl zu früh.

Bleiben die Grünen: Sie behalten sich einen Angriff auf die SP vor und ziehen damit eine Lehre aus dem letzten Herbst, als sie ihre Ambitionen vorzeitig begruben. Doch noch während heute Alain Berset im Bundeshaus sprach, nahmen Spitzenvertreter von FDP und SVP den Grünen viel Wind aus den Segeln. Sie sicherten der SP zwei Sitze zu, wenn sie auch nach den Wahlen unter den drei wählerstärksten Parteien rangiert. Fazit: Der zweite SP-Sitz scheint heute eher ungefährdet.

Wird ein Deutschschweizer Mann neuer Bundesrat?

Auch wenn mit Roger Nordmann heute ein SP-Schwergewicht aus der Romandie Ambitionen nicht ausschliesst: Eine Kandidatur aus der Romandie dürfte in der Bundesversammlung kaum eine Chance haben. Die bestehende lateinische Mehrheit im Bundesratszimmer ist nur als Übergangslösung akzeptiert im Bundeshaus. Die bisherige SP-Logik aber legt einen Mann als Nachfolger nahe. Seit 30 Jahren besetzt die Partei ihre Bundesratssitze mit je einem Mann und einer Frau.

Als letzten Herbst Simonetta Sommaruga zurücktrat, schloss die Parteispitze männliche Kandidaturen umgehend aus. Interessanterweise gilt das im umgekehrten Fall von heute nicht. Die SP-Führung legt sich in der Geschlechterfrage nicht fest. Ein scheinbarer Widerspruch, der zu Diskussionen führen dürfte. Mit der eben erst gescheiterten Bundesratskandidatin Eva Herzog hat bereits eine Frau erklärt, dass sie sich eine Kandidatur mindestens überlege. Fazit: Die Geschlechterfrage bleibt offen.

Holen sich die Bürgerlichen ein weiteres Schlüsseldepartement?

Alain Berset gibt wahre Schlüsseldossiers ab: AHV, Pensionskassen, Krankenkassen. Die SP wird alles daransetzen, das Innendepartement zu behalten. Doch das wird schwierig. Aus drei Gründen: Erstens ist Ignazio Cassis im Aussendepartement und in der Europapolitik nicht unumstritten. Ein Wechsel ins Innendepartement könnte für den Arzt und früheren Sozialpolitiker ein Ausweg sein.

Zweitens hat die bürgerliche Bundesratsmehrheit der SP im Dezember bereits ein Schlüsseldepartement entzogen, als sie Albert Rösti ins Umweltdepartement einziehen liess. Das könnte Appetit gemacht haben auf einen zweiten Coup. Drittens fällt die Ersatzwahl mit der Gesamterneuerungswahl des Bundesrats zusammen. Das erhöht die Lust auf Rochaden bei den Departementen. Und wer weiss: Vielleicht tritt per Ende Jahr noch ein Mitglied des Bundesrats ab. Das würde die taktischen Spielräume weiter vergrössern.

Doch, verliert die SP auch noch das Innendepartement, würde das die helvetische Machtbalance erschüttern und mehr Instabilität bringen. Die bürgerlichen Bundesräte werden auch das in ihre Rechnung einbeziehen müssen. Trotzdem bleibt als Fazit: Die SP muss um den Lead in ihren Kernthemen AHV und Krankenkassen ernsthaft bangen.

Fast ein halbes Jahr trennen uns vom Wahltag. Heute, am längsten Tag des Jahres, fällt der Startschuss zum längsten Bundesratswahlkampf seit Jahren.

Dominik Meier

Bundeshaus-Redaktor SRF

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Dominik Meier ist seit 2008 bei SRF. Nach Stationen bei der Radio-Inlandredaktion und der «Rundschau» arbeitet er seit 2022 im Bundeshaus-Team von Radio SRF.

SRF 4 News, 21.06.2023, 17 Uhr

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