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Nach der Frauenwahl Frauen haben im Bundeshaus nun mehr zu sagen

Noch nie sassen so viele Frauen im Schweizer Parlament. Sie erzielen Erfolge, die so bisher nicht möglich waren.

50 Jahre ist es her, seit die Schweiz das Frauenstimmrecht auf Bundesebene eingeführt hat. Weitere 48 Jahre ging es, bis zum ersten Mal mehr neue Frauen als Männer ins nationale Parlament gewählt wurden – also bis zu den eidgenössischen Wahlen 2019.

Frauen in den Fraktionen stehen zusammen ein für ihre Anliegen.
Autor: Kathrin Bertschy Nationalrätin der Grünliberalen Partei (BE)

Diese Wahl wurde als Frauenwahl bezeichnet. Über 40 Prozent Frauen politisieren seither im Nationalrat, 26 Prozent im Ständerat – so viele wie noch nie. Die Frauen seien im Bundeshaus nun nicht nur besser sichtbar, sondern auch erfolgreicher als früher, sagt die grünliberale Nationalrätin Kathrin Bertschy: «Frauen in den verschiedenen Fraktionen – gerade auch in bürgerlichen Fraktionen – stehen zusammen ein für ihre Anliegen.»

Das heisst auch: Frauen mobilisieren über die Parteigrenzen hinweg und linken Frauen gelingt es, auch bürgerliche Frauen auf ihre Seite zu ziehen. So erzielen sie Erfolge, die bis jetzt nicht möglich waren.

Neu finden Gleichstellungsanliegen eine Mehrheit, und zwar in beiden Räten.
Autor: Kathrin Bertschy Nationalrätin der Grünliberalen Partei (BE)

Als Co-Präsidentin der Frauenorganisation Alliance F ist Kathrin Bertschy sehr zufrieden mit dieser Entwicklung: «Die Legislaturplanung des Bundesrates wurde überarbeitet mit klassischen Gleichstellungsanliegen, die überparteilich von Frauen seit Jahren eingefordert werden – bisher aber ohne Chancen. Neu finden diese eine Mehrheit, und zwar in beiden Räten.»

Überparteilich wird auch Fussball gespielt: Bundesrätin Viola Amherd (Mitte) posiert mit dem FC Helvetia, dem Frauenfussballturnier des Parlements. Dabei sind Frauen von links bis rechts – und auch Kathrin Bertschy (rechts neben Viola Amherd).
Legende: Überparteilich wird auch Fussball gespielt: Bundesrätin Viola Amherd (Mitte) posiert mit dem FC Helvetia, dem Frauenfussballteam des Parlaments. Dabei sind Frauen von links bis rechts. Keystone

Konkret muss der Bundesrat nun zum Beispiel Lösungen zur Einführung einer Individualbesteuerung und zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf vorlegen. Dazu arbeitet er auch an einem Umsetzungsplan für das Abkommen gegen häusliche Gewalt.

Die Schwäche der SVP stärkt die Anliegen

Die höhere Präsenz der Frauen ist aber nicht der einzige Grund für die Erfolge. Politologe Michael Hermann stellt fest, dass der Druck aus der Gesellschaft zu einem Stimmungswandel in den bürgerlichen Parteien geführt habe. Das liege auch an der Schwäche der SVP: «Seit ein paar Jahren, in denen die SVP nicht mehr so dominant ist, haben nun auch Themen wie Gender oder das Klima im bürgerlichen Spektrum Akzeptanz bekommen.»

In den Kantonen ist der Wandel allerdings noch nicht überall angekommen; im Tessin, Aargau, Graubünden, Uri, Luzern und Appenzell Ausserrhoden sind die Regierungen sogar reine Männerclubs. Auch in den kantonalen Parlamenten hat sich der Frauenanteil nicht deutlich erhöht.

Wir sehen hier eine Polarisierung zwischen links-geprägten Orten und den bürgerlichen.
Autor: Michael Hermann Politologe

Zwar gab es etwa in Basel-Stadt und der Stadt Bern grosse Erfolge für die Frauen, aber die konservativ geprägten Regionen der Schweiz wollen nicht mitziehen. Politologe Michael Hermann sagt dazu: «Wir sehen hier eine Polarisierung zwischen eher links-geprägten Orten und bürgerlichen, wo wir beobachten, dass die Bereitschaft, Frauen zu wählen, sogar wieder etwas gesunken ist.» Männer seien dort offenbar nicht zu mehr Zugeständnissen bereit.

Die Pandemie stellt sich Frauen in den Weg

Doch auch die Pandemie behindert den Siegeszug der Frauen in der Politik. Corona bestimmte die politische Agenda weitgehend, das Klimathema trat in den Hintergrund. Laut Nationalrätin Kathrin Bertschy hat Corona die strukturellen Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern besonders deutlich gemacht, weil Frauen öfter in Berufen mit tiefen Löhnen arbeiten oder kein Homeoffice machen können.

Auch Homeschooling und die fehlende Kinderbetreuung im Shutdown im Frühling hätten die Berufstätigkeit der Frauen stärker eingeschränkt als jene der Männer. Das zeigt auch eine Untersuchung des eidgenössischen Gleichstellungs-Büros.

Echo der Zeit, 1.2.2021, 18 Uhr

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