Nach der Geburt ihrer Tochter Mitte August erhält eine Mutter aus dem Kanton Aargau plötzlich keinen Franken Lohn mehr. Zwar hätte sie als arbeitstätige Mutter während 14 Wochen Anspruch auf 80 Prozent ihres Lohnes, die sogenannte Mutterschaftsentschädigung. In ihrem Fall läuft das Ganze über ihren Arbeitgeber. Doch dieser glänzt mit Ausreden.
Erst fehlt die Geburtsurkunde…
Zuerst heisst es, es fehle die Geburtsurkunde des Kindes. Ohne diese könne man keine Anmeldung für die Mutterschaftsentschädigung machen. Obwohl das so nicht stimmt, schickt die Mutter die Urkunde umgehend nach. Doch auch im zweiten Monat bleibt ihr Zahltag aus.
Zwar hatte sich ihr Arbeitgeber gegenüber der Mutterschafts-Versicherung dazu verpflichtet, ihren Lohn nach der Geburt weiter zu zahlen. Geld, das er später von der Mutterschafts-Versicherung zurückerhält. Doch daran hält er sich nicht.
…dann soll die Sozialversicherung schuld sein
Dann soll die zuständige Sozialversicherungsanstalt SVA schuld sein. Weil diese sich ebenfalls um die Corona-Entschädigungen kümmert, sei die SVA hoffnungslos überlastet. Die Mutter müsse jetzt «in den sauren Apfel beissen» und warten, bis die SVA zahle, so der Arbeitgeber.
Im Klartext heisst das: Der Arbeitgeber will den Lohn nun plötzlich nicht mehr vorschiessen, bis er das Geld von der SVA erhält. Die Familie muss während zwei bis drei Monaten selber schauen, wie sie über die Runden kommt.
In der Schwangerschaft ist man gut geschützt. Aber kaum wird man Mami, ist offenbar nichts mehr geregelt und man wird einfach im Stich gelassen.
«Wir sind eine vierköpfige Familie und müssen mit unseren beiden Löhnen durchkommen,» sagt die Mutter. Daueraufträge seien bei ihrem Konto nicht mehr rausgegangen, die Familie fühlt sich im Stich gelassen: «In der Schwangerschaft ist man gut geschützt. Aber kaum wird man Mami, ist offenbar nichts mehr geregelt und man wird einfach im Stich gelassen.»
«Das geht so nicht»
Beim Präsidenten der Konferenz der kantonalen Ausgleichskassen, Andreas Dummermuth, löst das Verhalten des Arbeitgebers Kopfschütteln aus: «Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Lohn zu zahlen. Er kann sich nicht damit entschuldigen, dass er das Geld von der SVA nicht erhält.»
Doch was tun, wenn der Arbeitgeber kneift? Falls das Gespräch mit dem Arbeitgeber nichts bewirke, könnten sich Betroffene direkt an die zuständige Sozialversicherungsanstalt oder Ausgleichskasse wenden, rät der Präsident der kantonalen Ausgleichskassen.
Direkt mit der Ausgleichskasse reden
Die Mutterschaftsentschädigung sei eine staatliche Sozialversicherungsleistung. «Wenn diese vom Arbeitgeber nicht sauber abgewickelt wird, kann man eine Direktauszahlung verlangen», so Dummermuth. Das gelte im Übrigen auch für die Familienzulagen: «Dass eine Mutter oder ein Vater zwischen Stuhl und Bank fällt und auf dem Trockenen sitzt, darf nicht sein.»
Konkret können sich Betroffene per Telefon, Brief oder E-Mail bei der zuständigen Ausgleichskasse melden und die Direktauszahlung verlangen. Solche Fälle würden mit Priorität behandelt, und das Geld sofort ausbezahlt, verspricht Andreas Dummermuth.
Bei der Familie aus dem Kanton Aargau kam es doch noch zum Happy End. Nach einem letzten scharfen Brief an den Arbeitgeber war das Geld plötzlich kommentarlos auf dem Konto.