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Nach Kundgebungsaufruf Doch keine Demonstration der Fussballfans gegen Kollektivstrafen

  • Fussballfans aus der ganzen Schweiz sind am Samstag doch nicht für eine Protestaktion nach Bern gereist.
  • Aus einem Statement, das verschiedene Fanszenen publizierten, geht hervor, dass man allein mit dem Kundgebungsaufruf ein Zeichen gegen Kollektivstrafen setzen wollte.

Kollektivstrafen bedeuten, dass nach Vorkommnissen ganze Fankurven für einen Match gesperrt werden. Dagegen wehren sich die verschiedenen Fanszenen vehement. Der gemeinsame Aufruf der Schweizer Fanszenen und die darauffolgenden Reaktionen zeigten, dass «die von den kantonalen Polizeidirektoren vorangetriebene Eskalationsspirale eine Sackgasse ist», heisst es im Statement. Die Spirale könne nur durch einen Schritt zurück zum bewährten Umgang mit Fussballfans wie in den vergangenen Jahren wieder verlassen werden.

Fussballfans brennen Pyros ab
Legende: Fans des FC Zürich bei einem Spiel gegen den Stadtrivalen GC. REUTERS/Archiv/Arnd Wiegmann

In den vergangenen Tagen habe man eine auffällige Eskalation in Bundesbern heraufbeschworen und der Sicherheitsapparat sei ins Rollen gekommen. «Alles für nichts», heisst es in der Mitteilung weiter. In der aktuellen Situation brauche es nur wenig, um grosse Unruhe zu stiften. «Mehraufwand und weniger Sicherheit – das sind die Folgen des Werks politischer Hardlinerinnen und Hardliner».

YB-Fans zerstörten Linienbus in Zürich

Vor einigen Tagen hatten verschiedene Fanclubs zum Marsch nach Bern aufgerufen, um gegen Kollektivstrafen zu protestieren. Eine solche Kollektivstrafe beispielsweise war für Samstag vorgesehen, mit der Sperrung der YB-Fankurve im Berner Wankdorfstadion. Die Massnahme wurde wegen massiver Sachbeschädigungen durch YB-Fans in Zürich ausgesprochen.

Beschädigter Bus.
Legende: Das «Corpus Delicti»: Angriffe und Sachbeschädigungen durch YB-Anhänger wie das Demolieren dieses Linienbusses beim letzten Match GC-YB in Zürich wurden mit der Sperrung des Heimsektors am kommenden Samstag bestraft. zVg/Stadtpolizei Zürich

Im September spielte YB im Zürcher Letzigrund gegen GC. Bei ihrer Anreise griffen einige Berner «Fans» die Polizei mit Flaschen und Pyros an. Ausserdem demolierten sie einen Linienbus und traten dabei sämtliche Scheiben ein. Die Führerkabine des Chauffeurs wurde ebenfalls massiv beschädigt.

Die Berner Kantonspolizei machte am Freitag klar, dass sie einen unbewilligten Protest unterbinden werde. Dass ansonsten hart rivalisierende Fangruppen plötzlich für einen Protest zusammen spannen würden, war im Vorfeld verschiedentlich bezweifelt worden.

Kollektivmassnahmen auch wissenschaftlich umstritten

Wie mit Fangewalt umgegangen werden soll, frag sich auch die Wissenschaft. Für Alain Brechbühl, Leiter Forschungsstelle Fangewalt der Universität Bern, bergen Kollektivmassnahmen auch Gefahren. «Ich kann nachvollziehen, dass man signalisieren möchte, solche Zwischenfälle nicht zu tolerieren.»

Forschungsresultate aus dem Ausland und dem Inland deuten eigentlich eher in die Richtung, dass sich dadurch verstärkte Solidarisierungseffekte und eine kollektive Dynamik ergeben, die sich in konkreten Situationen auch negativ auswirken können, sagt Brechbühl.

Die angefragten Fanclubs und Vereine wollen keine Stellung zu den Kollektivstrafen nehmen, dafür aber der Schweizerische Fussballverband. Repressive Massnahmen seien manchmal leider nötig, meint Claudius Schäfer, er ist Vorstandsmitglied des Schweizerischen Fussballverbands.

Für Schäfer sind Kollektivstrafen ein Ohnmachtszeugnis. «Wir wissen, eigentlich müssen die Einzeltäter bestraft werden.» Derjenige, der die Gewalt verübe, solle bestraft werden. Es ist laut Schäfer aber sehr schwierig, die Übeltäter zu identifizieren und eine Kollektivstrafe dann oft die einzige Möglichkeit.

Tagesschau, 20.01.2024, 19:30 Uhr ; 

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