«Ich war vor den Kopf gestossen», sagt ein Sozialdemokrat an der Delegiertenversammlung vom Dienstagabend. Den Parteiwechsel habe sie als «befremdend» empfunden, sagte eine andere Delegierte. «Ich finde es einfach falsch», sagt ein dritter. Wenn der Name Daniel Frei, des ehemaligen kantonalen Parteipräsidenten, fällt, reagieren viele Sozialdemokraten immer noch grantig.
Zwar sind die überraschenden Übertritte von Daniel Frei und der Kantonsrätin Claudia Wyssen zur GLP bereits einige Wochen her. Im Fall der langjährigen SP-Nationalrätin Chantal Galladé sind es gar einige Monate. Aber in der SP ist das Unverständnis immer noch spürbar.
Ich glaube, das alles hat uns näher zusammengeführt.
Am Ende gehe die Partei jedoch gestärkt aus der Episode hervor, ist die Delegierte Andrea Jerger überzeugt. «Sicher waren wir in einem Schock-Zustand. Aber ich glaube, das alles hat uns näher zusammengeführt.» Negative Dinge würden zusammenschweissen.
Weder dogmatisch, noch intolerant
Den Vorwurf des Ex-Präsidenten Frei, die SP sei dogmatisch und intolerant geworden, lassen die Delegierten nicht gelten. «Ich sehe das überhaupt nicht so, die SP ist breit aufgestellt», sagt ein Delegierter. Der sozialliberale Flügel innerhalb der Partei gebe es immer noch, so eine Sozialdemokratin, «und er muss da sein, er darf da sein, und er hat einen Platz».
Aber natürlich ringt die SP in vielen Fragen immer wieder um ihre politische Ausrichtung. Wegen der Jungsozialisten, des gewerkschaftlichen Flügels und der gemässigten Sozialliberalen hat sie so heftige Richtungskämpfe wie kaum eine andere Partei.
Dieser Schritt noch weiter nach links ist für viele nicht das, was sie sich wünschen.
Sie müsse schon schauen, dass sie nicht zu links werde, meinten einzelne Delegierte, wie etwa Emil Eigenheer aus Effretikon. «Ich habe schon ein wenig Angst vor stark Linken», sagt Eigenheer und denkt an die Jungsozialisten. «Dieser Schritt noch weiter nach links ist für viele nicht das, was sie sich wünschen.»
Rückenwind seit letztem Sonntag
Dass der Schock der Übertritte inzwischen verdaut ist, hat auch mit dem jüngsten Wahlresultat vom letzten Sonntag in Winterthur zu tun. Dort schaffte es die SP, ihren dritten Sitz in der Stadtregierung zu verteidigen – ausgerechnet gegen eine Kandidatin der Grünliberalen.
Doch nun wolle sich die Partei nicht mehr mit den Übertritten befassen, sagt Co-Präsidentin Priska Seiler Graf: «Ich glaube, dieses Thema ist nun wirklich abgehakt. Natürlich weiss man nie, was noch alles passieren kann. Man kann aber mit gutem Gewissen sagen: ‹Das ist jetzt gegessen.›»
Und so steuert die Partei zuversichtlich die nationalen Wahlen an – und hofft wohl inbrünstig, dass keine neuen Überläufer mehr dazukommen.