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Nach «Unterschriften-Bschiss» Personen aus Frankreich sammeln für Schweizer Anliegen

Marc Wilmes arbeitet täglich mit Unterschriften­sammel­bögen. Mit seiner Firma in der Ostschweiz berät er Initiativkomitees, bereitet die Bögen zur Beglaubigung vor und leitet sie den Gemeinden weiter. Dabei hat er schon Unstimmigkeiten festgestellt.

Sie kommen rüber, sammeln, gehen wieder nach Frankreich und lassen diese Unterschriften über die Pseudofirma laufen.
Autor: Marc Wilmes Inhaber M.R. Wilmes Kampagnen GmbH

So spricht Wilmes etwa von einem neuen Phänomen in der Romandie – von einer Scheinfirma. Hinter dieser stünden Leute aus Frankreich, die für die Schweiz sammeln. «Sie kommen rüber, sammeln, gehen wieder nach Frankreich und lassen diese Unterschriften über die – sage ich jetzt mal – Pseudofirma laufen. Und diese läuft über eine Treuhandfirma in Lausanne», sagt Wilmes. Er wisse das, weil ihm die Organisation selbst Unterschriften verkaufen wollte. Für 6.50 Franken pro Unterschrift.

Für die erwähnte «Pseudofirma» gibt es weder einen Internetauftritt noch einen Handelsregister-Eintrag. SRF konnte die Firma bisher auch nicht erreichen.

Das war der Unterschriftenskandal

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Im Jahr 2024 haben sich Meldungen zu möglicherweise gefälschten Unterschriften verdichtet. Im September 2024 hat eine Recherche der Tamedia-Zeitungen dann das mutmassliche Ausmass der Fälschungen publik gemacht.

Kommerzielle Anbieter für Unterschriftensammlungen sollen im grossen Stil Unterschriften gefälscht haben. Gefälschte Unterschriften wurden gemäss der Recherche bei rund einem Dutzend Initiativen gefunden. Besonders ausgeprägt scheint das Problem in der Westschweiz. Viele Sammelorganisationen haben ihren Sitz im Kanton Waadt. Die Bundesanwaltschaft hat inzwischen mehrere Strafanzeigen eingereicht.

Marc Wilmes sieht einen starken Anstieg der ungültigen Unterschriften in der Romandie bei solchen Organisationen. Noch immer werde viel zu viel Geld verdient. «Und das bringt Akteure auf den Plan, die alles andere vorhaben, als seriöse Unterschriften zu sammeln», sagt Wilmes weiter.

Für die Behörden nichts Neues

Die Staatskanzlei des Kantons Waadt sagt auf Anfrage, sie kenne einen Fall, bei dem ein französischer Staatsbürger mit Schweizer Adresse Unterschriften für eine Initiative beglaubigen lassen wollte. Sie habe das der Bundeskanzlei gemeldet. Allerdings sei das Unterschriftensammeln für Initiativen nicht Schweizerinnen und Schweizern vorbehalten. Alle mit Mandat könnten das tun.

Die Bundeskanzlei äussert sich nicht zu diesem spezifischen Fall, schreibt aber, sie erfahre inzwischen frühzeitig von verdächtigen Fällen und potenziell unlauteren Sammeltätigkeiten. So könne sie Behörden und Komitees informieren und allenfalls anweisen. Das tue die Bundeskanzlei etwa, wenn Organisationen ohne Auftrag und gegen den Willen der Komitees Unterschriften zur Beglaubigung einreichen.

Die Politik ist gefragt

Kampagnenspezialist Marc Wilmes wünscht sich von der Politik beherzteres Eingreifen, strengere Regeln oder Verbote. Die zuständige Kommission des Ständerats hat vor der Sommerpause darauf verzichtet und will sich in rund einem Jahr wieder damit befassen. Die Kommission des Nationalrats hat die Diskussion noch vor sich. Ihre Präsidentin, Nationalrätin Greta Gysin von der Grünen-Partei, wagt keine Prognose.

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HeuteMorgen, 14.08.2025, 06:00 Uhr ; 

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