Herbst im Solothurner Niederamt: Typischerweise hängt Hochnebel in der Luft, häufig von Aarau bis nach Olten. Passend dazu ist das Bild des Kühlturms des Atomkraftwerks Gösgen. Mit seinem Wasserdampf scheint er den Nebel regelrecht zu füttern. Seit Ende Mai aber steht das AKW still. Die gewohnte Dampfwolke über dem Kühlturm ist weg – voraussichtlich noch bis Februar 2026.
Kann die Bevölkerung aus dem Niederamt nun hoffen, dass es weniger Nebeltage gibt? Immerhin verdampfen im Kühlturm in Gösgen 400 bis 700 Liter Wasser pro Sekunde und die Dampffahne steigt – je nach Wetter – 200 bis 800 Meter in die Höhe.
Ob der Kühlturm einen Einfluss auf das Wetter hat, das hat die Meteorologische Anstalt (heute Bundesamt für Meteorologie und Klimatologie) in den 80er-Jahren genau untersucht.
Wasserdampf und Schattenwurf
Untersucht wurde, ob es rund um die Dampfwolke mehr Niederschlag gibt und ob sich häufiger Nebel- und Glatteis bildet. Auch die Grösse ihres Schattenwurfs wurde untersucht. Für Letzteres dauerte die Untersuchung über vier Jahre und umfasste 2.5 Millionen Fotoaufnahmen. Auch Sonnenschein-Messgeräte waren im Einsatz.
Die Ergebnisse zeigen: Die Schwankungen der Niederschlagsmenge sind nicht signifikant. Zwar gab es eine Zunahme der Luftfeuchtigkeit um maximal 3 Prozent. Das liegt aber laut dem Bericht im Bereich der Messgenauigkeit bei solchen Untersuchungen. Aber die Dampfwolke hat einen Einfluss auf die Sonnenscheindauer, jedenfalls für ein kleines Gebiet nördlich des Kühlturms. Dort gibt es – je nach Wetter – weniger Sonnenlicht. Wobei der Unterschied im Schnitt deutlich weniger als eine Stunde pro Tag betrug.
Das Solothurner Niederamt kann man so oder so als Nebelloch bezeichnen.
Die Frage, ob die Dampfwolke des Kühlturms zu mehr Nebel führt, sei nicht aus der Luft gegriffen, betont Stephanie Westerhuis von SRF Meteo. «Es sind enorme Mengen an Wasserdampf, die täglich aus dem Kühlturm strömen.»
Würde der Kühlturm in einer Gegend stehen, wo oft blauer Himmel zu sehen ist, wäre es laut Westerhuis durchaus vorstellbar, dass der Wasserdampf einen Einfluss hat. «Aber im Solothurner Niederamt hat es so oder so viel Nebel. Man könnte es schon fast als Nebelloch bezeichnen», erklärt die Meteorologin. «Hier macht die zusätzliche Feuchtigkeit nicht mehr viel aus.»
Am wenigsten Nebel gibt es übrigens in den Bergen oberhalb von etwa 1000 bis 1500 Metern. Am häufigsten hingegen ist es in den tiefsten Lagen des Mittellands neblig, also zwischen dem Bielersee der Region Solothurn Olten, dem Aargau und rund um den Bodensee.
Exakte Berechnungen wären schwierig
Aus dem Kühlturm des AKW Gösgen verdampfen bis zu 700 Liter pro Sekunde. «Ob das einen Einfluss auf die Luftfeuchtigkeit hat, wäre aber aufwendig nachzuweisen», erklärt Stephanie Westerhuis: «Um die Feuchtigkeit im Nebel zu messen, müsste man ein Gerät haben, das durch den Nebel nach oben steigt.» Eine solche Messung wird zwar in der Schweiz täglich zwei Mal durchgeführt, jedoch nur in Payerne VD.
Bis Ende Februar bleibt das AKW Gösgen voraussichtlich abgeschaltet. In dieser Zeit gibt es im Solothurner Niederamt normalerweise jeden dritten Tag Nebel. Kann die Bevölkerung hoffen, dass die Sonne dank der fehlenden Dampfwolke ein paar Tage mehr durch die Nebeldecke drückt? «Ich denke, nein», sagt Stephanie Westerhuis. «Da ist es viel entscheidender, ob es ein Tief- oder Hochdruckgebiet mehr oder weniger gibt, das die Schweiz erreicht.»