Zum Inhalt springen

Neubau Inselspital Bern Happige Kritik am «modernsten Spital der Schweiz»

Mitarbeitende halten das Hauptgebäude des Berner Inselspitals für eine «Fehlplanung».

Fast zehn Jahre lang planten und bauten Fachleute am neuen Inselspital. Im Spätsommer 2023 nahm das Spital den Neubau in Betrieb. Von einem «Leuchtturm» für die Spitallandschaft war die Rede. Doch nach rund fünf Monaten Betrieb sind die Mitarbeitenden ernüchtert. Von einer Fehlplanung und mangelnder Wertschätzung gegenüber dem Personal wird gesprochen.

Uns wird das Leben schwer gemacht.
Autor: Mitarbeiterin Inselgruppe

Mitarbeitende der Inselgruppe berichten SRF von diversen Mängeln. Es beginnt bei der Garderobe: «Die Personalgarderoben sind viel zu klein und zu eng», sagt eine Mitarbeiterin, die wie alle anderen anonym bleiben möchte. «Und in den Schränken ist kaum Platz.» Weil die Räumlichkeiten so eng seien, hätten sich auch schon Mitarbeitende an den scharfkantigen Schranktüren verletzt.

Zimmer
Legende: Ein Zimmer für Patientinnen und Patienten kurz vor der Eröffnung im Sommer 2023. Keystone/Marcel Bieri

Für das Personal gäbe es im neuen Gebäude kaum Aufenthaltsräume, die Verpflegungsmöglichkeiten seien unbefriedigend, vor allem nachts. «Uns wird das Leben schwer gemacht», fasst eine Mitarbeiterin der Pflege zusammen.

Viel Euphorie bei der Eröffnung

Rückblick: An der Eröffnung lobten die Verantwortlichen den Neubau für seine hohe Effizienz. Bei der Planung wurde darauf geachtet, dass die Wege kurz und die verschiedenen Bereiche des Spitals besser vernetzt sind. Das hat auch wirtschaftliche Gründe: Pro Patient werden weniger Pfleger oder Ärztinnen benötigt.

«Durch die verbesserte Effizienz können wir mit gleich viel Personal mehr Patienten versorgen», sagte Uwe Jocham, Direktionspräsident der Inselgruppe, bei der Eröffnung. Mit dem Neubau sei das Inselspital für die Zukunft gerüstet.

Weshalb die Verantwortlichen von einem «Leuchtturm» sprechen

Box aufklappen Box zuklappen

Das neue Hauptgebäude des Inselspitals ist ein Bau der Superlative: Das 63 Meter hohe Hochhaus verfügt auf 18 Etagen über insgesamt 3254 Räume. Darunter sind neben den Pflegezimmern diverse Operationssäle.

Das Personal und die Patientinnen und Patienten können sich auf Rolltreppen und mit 18 Liften befördern lassen. Neun Jahre dauerten die Planung und der Bau des 670 Millionen Franken teuren Anna-Seiler-Hauses.

Doch von kurzen Wegen spüren die Mitarbeitenden heute nichts. Im Gegenteil: Sie klagen über die langen Wege. Sei es zu den Pausenräumen, zu den Toiletten oder zum Material für die Patientenpflege. «Ich bin gewohnt, viel zu laufen. Aber die Situation hier geht an die Substanz», berichtet eine Pflegefachfrau.

Als «Fehlplanung» bezeichnen die Insel-Mitarbeitenden auch die fehlenden Steckdosen. Das Personal sei angehalten worden, Berichte auf Laptops auf den Gängen zu schreiben. Aber es gebe schlicht zu wenig Steckdosen auf den Fluren.

Krankes Personal wegen Lüftung?

Mitarbeitende der Inselgruppe stören sich auch am Raumklima. Die Luft sei sehr trocken, die Zimmer der Patientinnen und Patienten liessen sich kaum lüften. «Bei den verschiedenen Ausdünstungen der Patienten ist das manchmal sehr unangenehm – für uns, aber auch für die kranken Menschen.»

Häuser
Legende: Das neue Anna-Seiler-Haus (links) befindet sich direkt neben dem alten Hauptgebäude. Thomas Pressmann/SRF

Die Situation im Spital habe Auswirkungen auf das Personal, es seien überdurchschnittlich viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter krank. «Wir haben keinen Luxus erwartet. Aber schlussendlich hat alles mit fehlender Wertschätzung zu tun – und das ist schade», sagt eine Pflegefachperson gegenüber SRF.

Was die Spitalleitung sagt

Die Inselgruppe nimmt vorerst schriftlich Stellung und will erst Mitte Woche die Situation vor Ort erläutern. In der Stellungnahme steht, dass die Direktion «sehr zufrieden» mit dem Neubau ist und die «hohen Erwartungen zum Teil sogar übertroffen wurden».

Wir beobachten schweizweit einen Anstieg an krankheitsbedingten Ausfällen in den Unternehmen.
Autor: Stellungnahme Inselgruppe

Auf das Personal wurde schon bei der Planung Rücksicht genommen. Generell seien viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter krank. «Wir beobachten schweizweit einen Anstieg an krankheitsbedingten Ausfällen in den Unternehmen».

Dass noch nicht alles rund läuft, gibt aber auch die Spitalleitung zu. «Wir befinden uns nun im Optimierungsprozess.» Und: «Teilweise braucht die Umstellung noch etwas Zeit.»

Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 20.2.2024, 17:30 Uhr; stes,stat

Meistgelesene Artikel