«Der Diener ist nicht der Mörder» – das war die Schlagzeile auf der Frontseite der allerersten Ausgabe des «Blicks» im Oktober 1959. Von Beginn an setzt die Boulevardzeitung in ihrer Berichterstattung stark auf Kriminalfälle.
Dabei geht sie sehr nahe ran an die Opfer und Täter. Deshalb gilt der «Blick» rasch als Revolverblatt. Das Image ist bis heute geblieben. Beispielhaft dafür ist der vierfache Mordfall im aargauischen Rupperswil vom Dezember 2015.
Über Wochen füllt die Zeitung ihre Seiten mit dem Fall und geht dabei immer wieder auch pietätlos vor. Reporter bedrängen die Hinterbliebenen. «Hier nehmen die Angehörigen Abschied» ist eine Schlagzeile. Und sie verdächtigen Unschuldige, etwa mit der Frage im Titel: «Drehte der Ex-Mann durch?»
«Wir wollen uns keine Fehler mehr leisten»
Und natürlich darf auch diese knallige Schlagzeile nicht fehlen, als der Fall gelöst ist: «Die Bestie vom Rupperswil ist gefasst». Die Art, wie der «Blick» über Verbrechen berichtet, hat ihm auch immer wieder Kritik eingetragen.
Neue journalistische Richtlinien sollen dem nun entgegenwirken, sagt Christian Dorer, Chefredaktor der Blick-Gruppe. «‹Crime› gehört zur Tradition des ‹Blicks›, aber wir wollen im Umgang mit Opfern und mit Tätern korrekt arbeiten, und uns hier keine Fehler mehr leisten. Das wollten wir eigentlich schon vorher. Aber es sind zu viele Pannen passiert und die wollen wir in Zukunft vermeiden.» Dabei geht es vor allem darum, dass die Zeitung weniger Details über die Opfer und mutmasslichen Täter veröffentlicht.
Sonst könnten die Leserinnen und Leser ihre Identität erkennen. «Das ist verschiedentlich passiert», gibt Dorer zu. «Das kann dann passieren, wenn man zu viele Beschreibungen in einem Text hat, zum Beispiel wie das Haus aussieht, wo das Opfer wohnt, was das Opfer beruflich gemacht hat. In der Kombination kann das erweiterte Umfeld daraus schliessen, wer das war.» Das solle in Zukunft nicht mehr passieren, so der Chefredaktor.
Wird das seriösere Konzept aufgehen?
Medienwissenschaftler Linards Udris von der Universität Zürich reagiert positiv auf die neuen Richtlinien beim «Blick». «Diese neuen Richtlinien sind wirklich interessant und auch aus einer medienethischen Perspektive sehr zu begrüssen.» Korrekter Journalismus und Respekt für Persönlichkeitsrechte seien wichtig. Doch lege der «Blick» im Grunde Prinzipien fest, die im Journalismus eigentlich selbstverständlich sein sollten, kritisiert er.
Dazu gehörten etwa das Unkenntlichmachen von Opfern und Täterinnen und Tätern sowie das Respektieren ihrer Rechte. Ob das neue Konzept einer seriöseren, politischeren Boulevardzeitung aufgehe, müsse man abwarten. Der Medienwissenschaftler wird die Entwicklung des «Blick» auf jeden Fall aufmerksam verfolgen und ihn an seinen künftigen Schlagzeilen messen.