Der Staudamm Marmorera soll um 14 Meter erhöht werden. Er gehört zu den 16 Wasserkraftprojekten, die im Stromgesetz verankert sind und hohe Priorität geniessen. Kostenpunkt: 100 bis 150 Millionen Franken.
Lebensdauer von über 100 Jahren
Doch die Besitzerin, das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ), hat ein Problem. «Solange wir nicht wissen, dass wir auch künftig das Kraftwerk betreiben dürfen, ist es sehr schwierig, einen so grossen Betrag zu investieren», erklärt Philippe Heinzer von der Geschäftsleitung.
Denn: Ausgerechnet während der geplanten Bauzeit läuft die Konzession ab. Das Kraftwerk könnte also seinen Besitzer wechseln.
«Ein solcher Damm hat eine Lebensdauer von über 100 Jahren», führt Heinzer aus. «Die Wirtschaftlichkeit muss sich über diese Zeit rechnen. Wenn wir kurz vor Ende der Konzession stehen, brauchen wir Sicherheiten.»
Was heisst Heimfall?
Läuft eine Konzession aus, können Standortkantone und -gemeinden entscheiden, die Kraftwerke selber zu betreiben. Der bisherige Besitzer bekommt dann eine Entschädigung.
In den nächsten 20 Jahren laufen zahlreiche Konzessionen aus. Graubünden, Wallis und Tessin haben folglich Heimfallstrategien beschlossen.
Die Präsidentin des Wasserwirtschaftsverbands, Susanne Vincenz-Stauffacher, ist besorgt: «Die unsichere Planungssituation für den Betreiber erschwert nachvollziehbar den Ausbau der Wasserkraft.» Sie betont, dass die 16 neuen Wasserkraftprojekte entscheidend seien für die Versorgungssicherheit. Das sei neben den diversen Einsprachen aktuell das grösste Problem beim Ausbau.
Vincenz-Stauffacher befürchtet, dass sich die Gemeinden hätten blenden lassen von den Gewinnen, die mit der Energie aus Wasserkraft erzielt werden könnten. Sie würden damit aber auch Risiken eingehen und müssten grosse Investitionen tätigen.
Die Kantone auf der anderen Seite erhoffen sich ein grösseres Stück vom Kuchen. Sie wollen mit dem Heimfall die Werke selber betreiben und mehr Geld verdienen.
Die Bünder Regierungsrätin Carmelia Meissen, die auch Präsidentin der Bergkantone ist, wehrt sich gegen den Vorwurf, den Ausbau der Wasserkraft zu behindern: «Auch die Gebirgskantone haben ein Interesse daran, ihren Beitrag zur Versorgungssicherheit der Schweiz zu leisten.»
EWZ schlägt Modell mit Gewinnbeteiligung vor
Beim Stausee Marmorera verhandelt Philippe Heinzer aktuell mit Kanton und Gemeinde, wie es weitergehen soll. Am liebsten möchte das EWZ Besitzerin des Kraftwerks bleiben. «Unsere Idee ist, dass wir bei gutem Geschäftsgang, Kanton und Gemeinden am Gewinn beteiligen lassen, gleichzeitig aber Risiken vom Betrieb und von tiefen Strompreisen bei uns behalten.»
Der Ansatz mit einer Gewinnbeteiligung könnte auch für andere Kraftwerke angewendet werden, deshalb blickt die Branche gespannt auf diese Verhandlungen. Doch die Gebirgskantone scheinen nicht offen für solche Lösungen.
Kantone wollen mehr Wertschöpfung
«Bei den Gebirgskantonen ist die Stossrichtung eine andere», erklärt die Bündner Regierungsrätin Carmelia Maissen. Man wolle einen höheren Anteil an der Wertschöpfung und auch mehr Mitsprache.
Die Positionen scheinen also noch weit voneinander entfernt. Nicht nur im Fall Marmorera. Hier liegen die Ausbaupläne auf Eis, solange es keine Einigung gibt. Auch der Ausbau von weiteren Wasserkraftwerken könnte durch solche Konflikte verzögert werden.