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Neue Studie warnt vor Risiko Der Schweizer Permafrost schmilzt im Rekordtempo

Das Eis in den Schweizer Alpen schmilzt dahin – mit Folgen für Natur und Infrastruktur.

Worum geht es? Der Permafrost in den Schweizer Alpen war 2024 so gering wie noch nie seit Messbeginn. Das zeigt ein neuer Bericht vom Schweizerischen Permafrostmessnetz Permos, der auf 25 Jahren Forschung basiert. Die Erwärmung betrifft demnach nicht nur die obersten Bodenschichten, sondern reicht zunehmend in grössere Tiefen. Laut Permos steigt damit das Risiko für instabile Berghänge und Schäden an alpiner Infrastruktur.

Was wurde festgestellt? Ein neuer Bericht zeigt: 2024 war das wärmste Jahr für den Permafrost seit Beginn der Messungen. In zehn Metern Tiefe sind die Temperaturen um bis zu 0.8 Grad Celsius gestiegen. Das sind Rekordwerte, die laut den Forschenden unter anderem durch frühes Einschneien im Herbst 2023 begünstigt wurden.

Was ist Permafrost?

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Als Permafrost bezeichnet man Boden, der mindestens zwei Jahre in Folge Temperaturen unter 0 Grad Celsius aufweist. In der Schweiz kommt er auf etwa fünf Prozent der Landesfläche vor, meist oberhalb von 2500 Metern, unter Schutthalden oder in Felswänden.

Die oberste Schicht taut im Sommer jeweils auf, darunter liegt dauerhaft gefrorener Boden. Einige dieser Schichten sind mehrere Hundert Meter dick und seit Tausenden von Jahren gefroren. Permafrost tritt sowohl in Fels als auch in sogenannten Blockgletschern auf. Das sind Gemische aus Eis und Schutt, die sich langsam talwärts bewegen.

Wie steht es um das Eis? Die oberste Bodenschicht, die im Sommer jeweils auftaut, reicht immer weiter in die Tiefe. Am Schilthorn in den Berner Alpen war sie diesen Winter erstmals gar nicht mehr durchgefroren. An diesem Standort hat sich die Auftauschicht seit dem Jahr 2000 von weniger als fünf auf über 13 Meter erhöht. Laut der Leiterin von Permos, Jeannette Noetzli, sei dies ein deutliches Zeichen für den Abbau des Permafrosts.

Bild von Jeannette Noetzli
Legende: Jeannette Noetzli ist wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF und Leiterin Permos. SRF

Gleichzeitig nimmt der Eisgehalt im Boden ab. Das Eis schmilzt zu Wasser, das die Zusammensetzung des Untergrunds verändert. Auch Blockgletscher – ein Gemisch aus Eis und Schutt – reagieren darauf: Laut den Forschenden bewegen sie sich heute deutlich schneller als noch vor 30 Jahren, vielerorts nicht mehr nur um Dezimeter, sondern um mehrere Meter pro Jahr.

Die Wahrscheinlichkeit für Murgänge und Felsstürze wird in Zukunft zunehmen.
Autor: Jeannette Noetzli Wissenschaftliche Mitarbeiterin beim SLF und Leiterin von Permos

«Man sieht einen kontinuierlichen Trend zu höheren Temperaturen im Permafrost, zu mehr Wasser und weniger Eis und zu schnelleren Bewegungen», so Noetzli.

Warum ist das wichtig? Wenn Permafrost auftaut, kann dies die Stabilität von Berghängen gefährden und direkte Folgen für Strassen, Seilbahnen und andere Bauwerke im Hochgebirge haben. «Die Wahrscheinlichkeit für Murgänge und Felsstürze wird in Zukunft zunehmen», erklärt Noetzli.

Bild von Bondo 2017
Legende: 2017 zeigte sich in Bondo, welche Gefahren das Tauen von Permafrost mit sich bringen kann: Als einer von mehreren Faktoren löste es einen Erdrutsch aus, der Millionen Kubikmeter Gestein ins Tal riss. Acht Menschen starben. Keystone/Gian Ehrenzeller

«Die beobachteten Veränderungen des Permafrosts in den Schweizer Alpen wirken sich generell auf die Stabilität der ganzjährig gefrorenen Berghänge aus, was für die Planung von Naturgefahren und Infrastrukturen im Hochgebirge von grosser Bedeutung ist», heisst es in der Medienmitteilung zur Studie.

Oft wird gedacht, dass Eis im Permafrost den Fels wie Klebstoff zusammenhält. Tatsächlich wirkt es eher wie eine Versiegelung: Solange alles gefroren ist, dringt kein Wasser ein. Wenn der Permafrost taut, gelangt Wasser in Felsspalten. Es bringt Druck und Wärme mit, wodurch der Fels weiter destabilisiert wird.

Wer misst das alles? Das Schweizer Permafrostbeobachtungsnetz Permos beobachtet seit dem Jahr 2000 die Veränderungen im Dauerfrostboden. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt verschiedener Universitäten, darunter der ETH Zürich, sowie des Schnee- und Lawinenforschungsinstituts SLF. Unterstützt wird es vom Bund, von MeteoSchweiz und von der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz.

Auftauende Böden bedrohen Millionen Menschen weltweit

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Neben den Alpen kommen die dauerhaft gefrorenen Bodenschichten vor allem in arktischen Regionen wie Russland, Kanada oder Grönland vor. Dort bedroht das Auftauen zunehmend die Infrastruktur: Strassen verformen sich, Häuser geraten ins Wanken und Wasserleitungen können beschädigt werden, mit Folgen für die Trinkwasserversorgung und die Mobilität der betroffenen Bevölkerung.

Zudem birgt das Auftauen unsichtbare Risiken. Schadstoffe und Krankheitserreger können freigesetzt werden, wenn alte Abfalldeponien oder verseuchte Böden auftauen. Studien zeigen auch, dass in tiefgefrorenen Schichten Mikroben und sogenannte «Zombieviren» überdauern können. Bis zu drei Millionen Menschen in arktischen Gebieten leben in Regionen, die besonders gefährdet sind. Prognosen gehen davon aus, dass der grösste Teil dieser Permafrostböden bis 2050 verschwunden sein wird – angetrieben durch den Klimawandel.

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Tagesschau, 17.7.2025, 19:30 Uhr ; 

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