Auf der St. Galler Stadtautobahn wird derzeit Nacht für Nacht gearbeitet, denn diese ist in die Jahre gekommen. Bis zu 100 Bauarbeiter sanieren unter anderem den Rosenbergtunnel. Läuft alles nach Plan, sind die Bauarbeiten übernächstes Jahr abgeschlossen.
Doch nach den Bauarbeiten ist vor den Bauarbeiten, denn der Rosenbergtunnel ist altersschwach. Das Bundesamt für Strassen plant in etwas mehr als zehn Jahren eine noch grössere Sanierung. Die Tunnelröhren müssten dann jeweils für längere Zeit gesperrt werden.
Dieser Ausweichverkehr wäre unerträglich für die Bevölkerung und die Wirtschaft.
Eine bürgerliche Allianz ist überzeugt: Es brauche deshalb eine dritte Tunnelröhre. Nur so könne verhindert werden, dass sich wegen der Sanierung täglich rund 40'000 Fahrzeuge ihren Weg durch die Stadt St. Gallen bahnen. «Dieser Ausweichverkehr wäre unerträglich für die Bevölkerung und die Wirtschaft», befürchtet der St. Galler FDP-Kantonsrat Oskar Seger.
Neue Röhre gegen Verkehrskollaps
Die FDP spannt mit der SVP und der Mitte in der ganzen Ostschweiz zusammen. Ihnen geht es auch um den Fäsenstaub-Tunnel in Schaffhausen. Dieser muss ebenfalls umfassend saniert werden, weshalb die Bürgerlichen auch hier eine zusätzliche Röhre fordern. Dazu haben sie in allen fünf Ostschweizer Kantonen Standesinitiativen lanciert.
In St. Gallen, dem Thurgau und Schaffhausen haben die Kantonsparlamente diese bereits ans eidgenössische Parlament überwiesen. In den beiden Appenzell dürfte die Zustimmung zu den Standesinitiativen im Herbst erfolgen. Gleichzeitig arbeitet die Handelskammer der beiden Basel an einer Standesinitiative, die den Bau des Rheintunnels fordert.
Kritik von linker Seite
Auf linker Seite kommt dieses bürgerliche Powerplay nicht gut an. Die Grüne Fraktionspräsidentin, Aline Trede, stört sich am Argument, dass neue Strassen zu einer Verkehrsentlastung führen würden. «Das stimmt einfach nicht. Statistisch ist erwiesen, dass es mehr Verkehr gibt, wenn man mehr Strassen und Tunnel baut, und das wollen wir einfach nicht», so Trede.
Es ist demokratiepolitisch ein Problem, wenn man jetzt versucht, die Hälfte der Ausbauprojekte, die das Stimmvolk im November abgelehnt hat, auf einem anderen Weg zu realisieren.
Was die Linken noch mehr stört: Vor nicht einmal einem Jahr hat das Stimmvolk den Ausbau der Autobahnen abgelehnt und damit auch die drei Tunnelprojekte. «Es ist demokratiepolitisch ein Problem, wenn man jetzt versucht, die Hälfte der Ausbauprojekte, die das Stimmvolk im November abgelehnt hat, auf einem anderen Weg zu realisieren. Ausserdem ist es in der aktuellen klimapolitischen Situation klar, dass mehr Strassen der falsche Weg sind.»
FDP-Kantonsrat Seger entgegnet, dass damals über eine Kombination aus sechs einzelnen Projekten abgestimmt wurde. Er hält fest, dass die Ostschweizer Kantone ihre beiden Tunnelprojekte mit grosser Zustimmung unterstützt hätten, weshalb es legitim sei, vom Bund zu fordern, dass die beiden Tunnelerweiterungen nun umgesetzt würden.
Bundesrat Rösti ist nicht abgeneigt
Bundesrat Rösti stärkt den Bürgerlichen den Rücken. An einem Medienanlass sagte er kürzlich, er könne sich vorstellen, die Tunnelprojekte in St. Gallen, Schaffhausen und Basel erneut zu überprüfen: «Bei den Tunnelprojekten haben wir die grössten Engpässe. Wir realisieren Tunnelprojekte häufig auch, um die Resilienz der bestehenden Tunnel zu stärken», so Rösti.
Und so müssen sich National- und Ständerat erneut mit dem Autobahnausbau befassen. Möglicherweise hat wieder das Stimmvolk das letzte Wort.