Urs Wegmann leitet seit März die Sektion Wildtiere und Artenförderung im Bundesamt für Umwelt Bafu. Gegenüber SRF gibt er sein erstes Interview in dieser Rolle.
SRF News: Man nennt Sie «Mr. Wolf». Mögen Sie diese Bezeichnung?
Urs Wegmann: Nein, gar nicht! Sie wird meiner Stellung und meinem Team nicht gerecht. Wir sind zuständig für alle Wildtiere in der Schweiz, der Wolf ist bloss eines von vielen. Aber es ist natürlich das Tier, das für die grösste Aufregung sorgt.
Sie haben vorher im Kanton Zürich die Biberfachstelle geleitet und waren Geschäftsführer der Greifensee-Stiftung. Mussten Sie sich in den letzten Wochen viel Wolfswissen aneignen?
Das habe ich tatsächlich gemacht. Ich bin kein Wolfsspezialist, dafür habe ich Expertinnen und Experten in meinem Team. Aber ja, ich habe mich dem Thema angenähert. So wie damals, als ich plötzlich zum Biberspezialisten wurde.
Die Stelle war lange vakant, man konnte lesen, dass sich Bundesrat Albert Rösti in die Stellenbesetzung eingemischt hat. Mussten Sie bei ihm antraben, bevor Sie eingestellt wurden?
Antraben würde ich nicht sagen, aber ja, das letzte Gespräch der Rekrutierung war mit Bundesrat Rösti.
Wollte er wissen, ob Sie in puncto Wolf auf seiner Linie sind?
Was im Bundesratszimmer besprochen wird, bleibt auch dort (lacht). Aber man kann sicher sagen, dass wir uns im Gespräch gefunden haben.
Sie sind also auf seiner Linie?
Ja, natürlich. Ich habe mir überlegt, ob ich diese Wolfspolitik mit voller Überzeugung vertreten kann. Und das kann ich, ja.
Am Montag beginnt eine weitere Phase der Wolfsregulierung. Die Kantone ersuchen das Bafu um Bewilligungen für proaktive Wolfsabschüsse, auch ganze Rudel können erlegt werden. Wie viele Gesuche liegen Ihnen aktuell vor?
Das ändert sich im Moment fast stündlich. Wir haben aktuell ungefähr ein Dutzend Gesuche für Rudelregulierungen. Fast alle beantragen sogenannte Teilregulierungen, das heisst, das Rudel bleibt bestehen, aber man schiesst einen Teil der Jungtiere.
Die Anzahl Rudel kann nicht einfach beliebig reduziert werden.
So will der Kanton Graubünden bis zu zwei Drittel der Jungtiere schiessen. (Das Bafu hat dieses Gesuch heute Mittwoch bewilligt, Anm. d. Red.)
Nun konnte man lesen, dass der zuständige Staatsrat im Kanton Wallis circa acht Rudel komplett schiessen möchte. Das wären deutlich mehr, als Sie jetzt sagen.
Ja, das ist richtig. Aber entsprechende Gesuche liegen uns nicht vor.
Was liegt Ihnen denn aus dem Kanton Wallis vor?
Darüber kann ich im Moment nicht sprechen. Grundsätzlich gilt: Die Politik kann fordern, was sie möchte, wir beurteilen dann am Schluss aufgrund der konkreten Gesuche. Bei der jetzigen Gesetzgebung kann die Anzahl Rudel nicht einfach beliebig reduziert werden. Sie müssen ein unerwünschtes Verhalten an den Tag legen, zum Beispiel Nutztiere reissen oder sich den Menschen zu stark nähern.
Ich strebe eine verbesserte Beziehung zwischen Menschen und Natur an.
Im letzten Jahr hat das Bafu insgesamt 125 Wölfe und neun Rudel zum Abschuss freigegeben, geschossen wurden 92 Wölfe, rund drei Rudel wurden aufgelöst. Werden es in diesem Jahr ähnliche Zahlen sein?
Es werden nicht mehr sein und auch nicht viele weniger. Das wäre auch logisch, da die Anzahl Wölfe nur leicht gestiegen ist. Vielleicht sehen wir hier also bereits ein erstes Einpendeln des Wolfsbestandes.
Was wollen Sie in Ihrer neuen Funktion im Wolfsdossier erreichen?
Ich strebe eine verbesserte Beziehung zwischen Menschen und Natur an. Das war schon immer mein Ziel. Ich möchte etwas zur Lösung der Konflikte beitragen. Ich bin ein Naturschützer und Tierfreund, aber ich bin auch ein Menschenfreund.
Das Gespräch führte Simone Hulliger.