«Ich will nie beim Sozialamt anklopfen. Das kann ich nicht», sagt ein Mann, der aktuell in der Kirchlichen Notherberge Weinfelden wohnt. Nach der Scheidung habe er wegen Corona auch noch den Job und die Wohnung verloren. Die psychiatrische Klinik hat ihn schliesslich an die Notschlafstelle Weinfelden vermittelt.
Ich habe erlebt, dass Leute beim Pfarrhof anklopften und um eine Bleibe baten.
Für den Gründer Armin Ruf ist dies ein typischer Fall: «Es wird immer Menschen geben, die aus den Sozialsystemen rausfallen.» Ruf ist Gemeindeleiter bei der katholischen Kirche Weinfelden-Märstetten. «Ich habe erlebt, dass Leute beim Pfarrhof anklopften und um eine Bleibe baten.» Aber im Thurgau gab es damals nichts, wohin man die Leute verlässlich hätte vermitteln können. So sei er im November 2019 auf die Idee gekommen, eine Notschlafstelle zu eröffnen.
Notschlafstelle auf eigene Kosten
Armin Ruf mietete auf eigene Kosten eine Liegenschaft in Weinfelden und gestaltete sie zur Notschlafstelle um. Fünf Zimmer stehen regulär zur Verfügung. Die Küche und ein Aufenthaltsraum werden gemeinsam benutzt. Für Familien kann auch eine Wohnung ganz abgetrennt werden. «Wohnungslosigkeit ist mitunter das Bitterste, was Menschen erfahren können», sagt Ruf.
Wohnungslosigkeit ist mitunter das Bitterste, was Menschen erfahren können.
Eigentlich hätte im Frühling 2020 der Verein als Trägerschaft für die Kirchliche Notherberge gegründet werden sollen. Corona verzögerte diesen rechtlichen Akt zwar, zeigte aber auch auf, wie bitter nötig das Angebot an sich war. Weil alle Herbergen und Hotels geschlossen waren, wurde die eben erst geöffnete Notschlafstelle regelrecht überrannt. Seit dann sind die Betten in Weinfelden fast jede Nacht ausgebucht.
Erleichtert, wohnen zu dürfen
Es seien vor allem Männer, welche die Notschlafstelle bräuchten, so Ruf. Der Altersschnitt sei «erschreckend jung». Eine Nacht kostet zehn Franken. Es sind aber auch längere Aufenthalte möglich, die dann oft vom Sozialamt gedeckt werden. Der Verein finanziert sich durch Mitgliederbeiträge von Firmen und Privaten und durch die Kirchenkollekte.
Kontakt
Die meisten würden nicht lange bleiben, sagt Linda Roth, die Koordinatorin der Notschlafstelle. Das Bedürfnis für eine Notschlafstelle ist aber auf dem Land oder in der Stadt dasselbe: «Wenn sie ankommen sind die Leute erstmal froh, dass sie einen Ort haben, wo sie sein dürfen.»