Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat untersucht, wie der Schweiz die Integration von Zugewanderten gelingt. Zuständig für diese Studie ist Mark Pearson, Vizedirektor der Abteilung für Beschäftigung, Arbeit und Soziales.
SRF News: Die Studie stellt der Schweiz ein gutes Zeugnis aus bei der Integration von Migrantinnen und Migranten. Was sticht speziell heraus?
Mark Pearson: Der Schweiz gelingt es besonders gut, Zugewanderte in den Arbeitsmarkt zu integrieren. 77 Prozent der Migrantinnen und Migranten in der Schweiz sind erwerbstätig – das ist im internationalen Vergleich beeindruckend.
Wie sieht es denn in anderen Staaten aus?
Die Schweiz liegt etwa acht Prozentpunkte über dem OECD-Durchschnitt. Nur wenige Länder sind ähnlich erfolgreich darin, Zugewanderte in die Arbeitswelt einzubinden. Und das ist umso bemerkenswerter, da die Schweiz einen hohen Anteil an Migranten hat – nur Luxemburg hat pro Kopf mehr Zugewanderte.
Migrantinnen haben oft keine familiären Netzwerke, die sie unterstützen. So ist es für sie schwieriger, Beruf und Familie zu vereinbaren.
Wobei es in der Schweiz ja auch Unterschiede gibt – und zwar zwischen den Geschlechtern.
Das stimmt. Die Erwerbsquote von zugewanderten Männern liegt in der Schweiz bei über 83 Prozent, bei Frauen indes nur bei gut 71 Prozent. Hauptgrund hierfür ist die fehlende Kinderbetreuung. Zudem haben Migrantinnen oft keine familiären Netzwerke, die sie unterstützen. So ist es für sie schwieriger, Beruf und Familie zu vereinbaren.
Neben dem Arbeitsmarkt haben Sie auch andere Aspekte untersucht. Wie gut sind Zugewanderte in der Schweiz insgesamt integriert?
Grundsätzlich sehr gut. Es gibt aber Bereiche, die Sorgen bereiten. Ein Beispiel ist die schulische Leistung: Kinder mit im Ausland geborenen Eltern liegen mit 15 Jahren beim Lesen im Schnitt etwa ein Jahr hinter Kindern mit in der Schweiz geborenen Eltern zurück. Das ist deutlich schlechter als in den meisten anderen Ländern.
Woran liegt das?
Ein Grund ist, dass Kinder in der Schweiz relativ spät eingeschult werden. Viele sprechen bis zum Alter von sechs Jahren hauptsächlich eine Fremdsprache. Das ist sehr spät, um die Landessprache zu lernen – und sie holen diesen Rückstand oft nicht mehr auf. Andere Länder zeigen: Frühkindliche Bildung ist der Schlüssel, um Kinder von Migranten besser zu integrieren.
Viele fühlen sich nicht vollständig als Teil der Gesellschaft, obwohl die Schweiz ihr Zuhause ist.
Ist es ein Vorteil für die Integration, dass in der Schweiz viele Sprachen gesprochen werden?
Nur bedingt. Am Anfang ist es ein Vorteil, weil viele Migranten zumindest eine der Landessprachen kennen. Später wird es aber zum Nachteil: Wer in der Romandie lebt, lernt Französisch, kann dann aber nicht einfach in die Deutschschweiz ziehen, wenn seine beruflichen Fähigkeiten dort vielleicht stärker gefragt wären. In anderen Ländern ist diese Mobilität einfacher.
Im Bericht wird erwähnt, dass es in der Schweiz relativ schwierig ist, die Staatsbürgerschaft zu erlangen. Wie wirkt sich das auf die Integration aus?
Wenn wir uns Migranten anschauen, die seit mehr als zehn Jahren in der Schweiz leben, beantragen nur rund 38 Prozent die Schweizer Staatsbürgerschaft. Im OECD-Schnitt sind es über 50 Prozent. Das hat Auswirkungen: Viele fühlen sich nicht vollständig als Teil der Gesellschaft, obwohl die Schweiz ihr Zuhause ist. Natürlich ist das eine politische Frage – die Schweiz entscheidet, wer Schweizer wird. Aber es ist wichtig zu bedenken, dass man Menschen dadurch in einer Art Zwischenstatus hält, und viele Länder hier einen anderen Weg gehen.