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Matthias Rusch.
Legende: Ohne Geld, dafür mit Handy-Kamera reiste SRF-Reporter Matthias Rusch von Chancy im Kanton Genf bis ins bündnerische Val Müstair. SRF

Ohne Geld durch die Schweiz Übernachten in Wäldern und Villen

Nach seinem letztjährigen Abenteuer reist SRF-Reporter Matthias Rusch noch einmal quer durch die Schweiz – ohne einen einzigen Rappen in der Tasche. Die Überraschungen und Gegensätze waren noch grösser als beim ersten Mal. Eine Reise mit unvergesslichen Begegnungen.

Ich habe schon etwas Bammel, als ich an der französischen Grenze am Start meiner zweiten Reise ohne Geld durch die Schweiz stehe. Und zwar, dass dieses Unterfangen nur ein müder Abklatsch werden könnte von meinem letztjährigen Abenteuer . Damals reiste ich vom nördlichsten Punkt der Schweiz in Schaffhausen bis nach Chiasso ganz im Süden. Das Portemonnaie liess ich zu Hause, Kost und Logis verdiente ich mir jeweils mit Gelegenheitsjobs.

Dabei übernachtete ich in einer Villa an der Zürcher Goldküste, in einem Lastwagen an der Gotthard-Autobahn, arbeitete in Bäckereien, Restaurants und auf Bauernhöfen. Ich traf viele spannende Menschen vom ukrainischen Lastwagenfahrer über den Gault-Millau-Koch bis zum Physik-Professor und wurde beim Autostopp gar von einem russischen Millionär mitgenommen.

Matthias Rusch räumt Regale ein.
Legende: Kost und Logis verdient sich Reporter Matthias Rusch durch Gelegenheitsjobs. Hier in einer Konditorei in Bern Bethlehem. SRF

Der Zufall als bester Regisseur

Vielleicht bin ich einfach ein Glückspilz, vielleicht habe ich aber auch einfach die nötige Ausdauer, um den Zufall auf meine Seite zu ziehen. Bei meiner Reise war nichts vorgeplant ausser den fünf Etappenzielen vom westlichsten Punkt der Schweiz in Chancy/GE bis zum östlichsten Punkt in Müstair/GR. Wen ich antreffen würde, was ich arbeiten könnte oder wo ich übernachten sollte: alles Zufall. Und das war wohl das beste Rezept, um wieder ein Abenteuer voller Überraschungen zu erleben.

Karte mit der Route der Reise von Matthias Rusch.
Legende: Vom westlichsten zum östlichsten Ort der Schweiz – ganz ohne Geld: SRF-Reporter Matthias Rusch hat sich in das Abenteuer gestürzt. SRF

Es beginnt schon am ersten Tag, als ich per Autostopp und zu Fuss von der französischen Grenze bis nach Vaux-sur-Morges im Kanton Waadt reise. Das kleine Dorf mit 200 Einwohnern gilt als reichste Gemeinde der Schweiz. Und zwar, weil Roche-Erbe und Milliardär André Hoffmann hier wohnt. Mit seinem Einkommen und Vermögen katapultiert er das Dorf in eine andere Liga. Während eine durchschnittliche Schweizer Gemeinde rund 1000 Franken direkte Bundessteuer pro Kopf zahlt, sind es in Vaux-sur-Morges rund 50'000 Franken. Wie ticken wohl die Einwohnerinnen und Einwohner eines solchen Ortes, wenn es ums Thema Geld geht?

Beim Milliardär eingemietet

Zwar gibt mir André Hoffmann kein Interview. Aber wie es der Zufall will, lande ich nach einigem Herumfragen beim pensionierten Architekten Philippe Schmidt. Das ist nicht irgendein Einwohner des kleinen Dorfes, sondern ein ehemaliger Gemeindepräsident und vor allem der direkte Nachbar von André Hoffmann. Völlig offen und unkompliziert empfängt er mich bei sich zu Hause, gibt mir Arbeit, Essen und ein Bett für die Nacht. Und auch als er erfährt, dass ich vom Schweizer Fernsehen bin, macht er keinen Rückzieher. Er erzählt mir bereitwillig, dass das viele Geld in der Gemeinde nicht nur positiv sei.

 Philippe Schmidt
Legende: Milliardärs-Nachbar Philippe Schmidt erzählt, wie sich Vaux-sur-Morges verändert hat. SRF

Noch in den 1980er-Jahren sei die Gemeinde mausarm gewesen, als Philippe Schmidt noch Gemeindepräsident war. Damals hätten die Behörden jeden Franken zweimal umdrehen müssen, bevor sie ihn ausgegeben haben. Seit dem Zuzug von André Hoffmann sitze das Portemonnaie der Gemeinde viel lockerer und es würden Investitionen getätigt, die wohl nicht immer nötig wären. Als Nachbar sei André Hoffmann allerdings sehr angenehm und unkompliziert. Er vermietet Philippe Schmidt gar einen Teil seiner Scheune und ist auch immer wieder mal für einen Schwatz zu haben.

Im Wald von der Hand in den Mund leben

Als Kontrast dazu steht meine zweite Übernachtung, diesmal in Bern. Hier suche ich mein Glück im Wald – und werde fündig. Martin Wyss, bekannt als Waldmensch «Chrütli», lebt hier seit über zehn Jahren mitten in der Natur in einer improvisierten Zeltbehausung. Eigentlich ist Wohnen im Wald gar nicht erlaubt. Deshalb hatte er auch jahrelang Probleme mit den Waldbesitzern. Nach vielen Verhandlungen darf er nun offiziell ein Stück Wald der Stadt Bern nutzen. Mit Kursen über Kräuterkunde und mit Hundesitting hält er sich finanziell über Wasser. Mit nur gerade 150 Franken pro Woche schlägt er sich durch. Das reiche gut zum Leben, wenn man bescheiden sei, meint er. Allerdings: Krankenkasse und Versicherungen zahlt er keine. Als Aussteiger weigert er sich, diesen Anteil zu leisten.

«Chrütli» in seinem Refugium im Wald.
Legende: «Chrütli» hat im Wald bei Bern Ruhe gefunden. SRF

Ein Geizhals ist der 52-Jährige deswegen nicht. Dafür, dass ich für ihn Holz hacke zum Feuern und Kochen, erhalte ich ein wunderbares Nachtessen mit frischem Salat aus dem eigenen Waldgarten und gar noch ein Picknick für meine Weiterreise. Das Leben im Wald sei das Beste für ihn, sagt Martin Wyss. Es habe ihn nach schwierigen Jahren im Beruf und einer gescheiterten Beziehung vor dem Burnout bewahrt und wieder zur Ruhe gebracht. Wenn es die Gesundheit zulasse, werde er wohl noch bis 70 hier leben.

Mit Klinkenputzen zum Erfolg

Im Laufe meiner Reise durch die Schweiz ohne Geld brauche ich etwas mehr Ausdauer. In Zug habe ich mir zum Ziel gesetzt, in einer Villa am See zu übernachten. Wie ich bald merke, ist das nicht so einfach. Ich gehe von Haus zu Haus dem See entlang, klingle an unzähligen Haustüren und versuche die Leute zu überzeugen, mich bei ihnen arbeiten zu lassen für Kost und Logis. Und dies, ohne ihnen gleich am Anfang zu verraten, dass ich vom Schweizer Fernsehen bin.

Bei einer Villa nach der anderen blitze ich ab. Bis ich schliesslich zu einem prächtigen Altbau mit riesigem Park direkt am Wasser komme. Ohne grosse Hoffnung klingle ich auch hier – und siehe da. Eine Frau öffnet mir die Tür und lässt mich ohne viel Gehabe eintreten. Die Psychologin Isabelle Plattner Akou hat früher in der Entwicklungshilfe in Afrika gearbeitet. Für sie sei es normal, mit anderen Menschen zu teilen, erklärt sie mir. Man könne ja nicht alles für sich behalten. Und so komme ich in den Genuss einer Übernachtung in einer 200-jährigen Villa direkt am Zugersee.

Villa am Zugersee.
Legende: Wohnen mit Aussicht: Auch in dieser komfortablen Bleibe am Zugersee hat Matthias Rusch eine Übernachtungsmöglichkeit gefunden. SRF

Und ich stelle einmal mehr deutlich fest, dass Reisen ohne Geld zwar nicht immer einfach und entspannt ist. Aber dafür die besten Überraschungen und die spannendsten Begegnungen bereithält. So auch bei meiner letzten Übernachtung dieser Reise im bündnerischen Tschappina. Dort lande ich nach längerer Suche bei der Bauernfamilie Allemann, welche innerhalb von zwei Jahren gleich zweimal Zwillinge bekommen hat. Und trotz dieser enormen Belastung diese Aufgabe in beeindruckender Art und Weise meistert. Und aufzeigt, dass sich im Leben nicht alles nur ums Geld dreht, sondern vor allem auch um Herzblut, Mut und eine positive Einstellung.

Ich suchte das Abenteuer vor der Haustüre – und habe es ganz ohne Geld gefunden. Eine Reise durch die Schweiz, die ich so schnell nicht mehr vergessen werde.

Schweiz aktuell, 14.7.23, 19 Uhr

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