Gian Gilli war Mister Olympia, Chef des Vereins Olympische Winterspiele Graubünden 2022. Natürlich sei ihm in den letzten Wochen immer wieder durch den Kopf gegangen, dass jetzt theoretisch auch Graubünden an Stelle von Peking stehen könnte, meint er im Gespräch mit SRF.
Man sagt sich, schade, dass das nun nicht hier stattfindet.
«Es ist klar, dass man daran denkt, nicht im Groll, aber man sagt sich, schade, dass das nun nicht hier stattfindet», so Gilli. Nicht nur im Lager der Olympia-Befürworter überlegt man sich, «was wäre, wenn...». Auch der damaligen Präsidentin des Olympia-kritischen Komitees, Silva Semadeni, sind solche Gedanken nicht fremd.
«Ich freue mich jedes Mal, dass die Bündner Bevölkerung Nein gesagt hat zu so schrecklichen Olympischen Spielen», sagt die ehemalige SP-Nationalrätin heute. Nun finden die Wettbewerbe in Peking statt. Kritik an diesen Spielen gibt es unter anderem wegen der massiven Eingriffe in die Natur.
Ich freue mich jedes Mal, dass die Bündner Bevölkerung Nein gesagt hat zu so schrecklichen Olympischen Spielen.
Semadeni ist noch immer überzeugt, dass auch die Bündner Spiele in dieselbe Richtung gegangen wären. «Es wäre sicher nicht besser gewesen, weil es nach wie vor gigantische Spiele sind – völlig überrissen.»
Ex-Volkswirtschaftsdirektor bedauert noch immer
Die Absicht der Initianten war allerdings eine andere. Man versprach kleinere, nachhaltigere Spiele. Olympia sollte dorthin zurückkehren, wo der Wintersport zu Hause ist, in die Berge. Schade, sei dies nicht gelungen, meint Hansjörg Trachsel. Der damalige Bündner Volkswirtschaftsdirektor hatte sich für Spiele in Graubünden starkgemacht.
Als ehemaliger Bobrennfahrer und Olympiateilnehmer hat er ein besonderes Verhältnis zu diesem Sportereignis. «Für die Sportler wären Spiele in Graubünden sicherlich etwas anderes gewesen als die, die wir jetzt in Peking erleben werden», sagt Trachsel.
Die Spiele als Infrastrukturprogramm
Olympia hätte in den Augen der Initianten nicht nur sportliche Höchstleistungen und Millionenumsätze in die Region bringen sollen. Es hätte auch ein Vehikel sein sollen, um Verkehrs- und Sportinfrastrukturen auszubauen.
Hätte Graubünden tatsächlich den Zuschlag für die Spiele erhalten, stünde man da jetzt an einem anderen Punkt, glaubt Trachsel. «Das wäre nun natürlich gebaut», so der ehemalige Regierungsrat. Ähnlich sieht es Gian Gilli.
Wettbewerbe unter Coronabedingungen?
Jetzt, da sich die Welt in einer Pandemie befinde, müsse man sich aber auch überlegen, was es bedeutet hätte, die eigentlichen Spiele durchzuführen. Es zeige sich in Peking, dass die Umstände für die Sportlerinnen und Sportler schwierig seien, so Gilli.
«Jetzt mit dieser Pandemie Olympia umzusetzen ist A, nicht lustig und B, ist es vielleicht besser, müssen wir es nicht machen», gibt er zu bedenken.
Olympia länger kein Thema mehr in Graubünden
Bei Olympiagegnerin Silva Semadeni ist mit der Pandemie die Erleichterung noch grösser geworden, dass der Olympia-Kelch an Graubünden vorbeigegangen ist.
Unter den Umständen der Pandemie sei es noch viel schlimmer, da es wahrscheinlich auch ganz wenige Zuschauer geben werde. Das sei auch für die Sportlerinnen und Sportler weniger interessant. «Für mich ist klar: Es war ein sehr weitsichtiger Entscheid der Bündnerinnen und Bündner.»
Mit knapp 53 Prozent Nein-Stimmen hatte das Bündner Stimmvolk 2013 die Kandidatur für die Spiele 2022 abgelehnt. Vier Jahre später wurden erneute Olympia-Pläne im Bergkanton mit 60 Prozent noch deutlicher abgeschmettert. Gilli und Semadeni sind sich heute einig: Olympische Spiele werden in Graubünden für viele Jahre kein Thema mehr sein.