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Omikron-Welle Berset: «Die Quarantäne abzuschaffen, wäre ein komisches Signal»

Trotz hoher Infektionszahlen verzichtet der Bundesrat darauf, die geltenden Massnahmen zu verschärfen. Er verlängert diese stattdessen bis Ende Februar beziehungsweise Ende März. Im Interview blickt Gesundheitsminister Alain Berset optimistisch in die Zukunft und stellt schnellere Lockerungen in Aussicht.

SRF News: Wir haben heute zwar einen Rekord bei den Fällen, aber einen Anstieg in den Spitälern gibt es nicht. Kann man jetzt schon sagen, die Omikron-Welle sei gar nicht so schlimm wie prophezeit?

Alain Berset: Wir können vor allem sagen, dass diese Welle eine neue Situation ist. Sie ist eine andere Welle als die, die wir vorher gesehen haben. Wir haben im Moment eine ruhigere Situation bei den Spitälern als gedacht. Das ist eine gute Sache, das ist klar.

Man kann sagen, dass die Omikron-Variante deutlich weniger krank macht. Ist es dann noch vertretbar, die Freiheit so vieler Menschen bis Ende März einzuschränken? Sie mit 2G faktisch vom Gesellschaftsleben auszuschliessen?

Wir haben heute bloss entschieden, Massnahmen zu verlängern. Das heisst bis Ende Februar Homeoffice-Pflicht und Quarantäne-Regelung sowie bis Ende März andere Massnahmen. Das dient der Planbarkeit. Gleichzeitig haben wir auch gesagt, dass wir in zwei Wochen eine vertiefte Analyse durchführen werden – wenn wir über den Berg sind. Es ist auch gut möglich, dass wir schneller lockern. Das werden wir aber nur analysieren können, wenn sich die Situation verbessert. Im Moment bleibt es mit so vielen Ansteckungen noch ziemlich instabil.

Es wäre ein Signal gewesen, 2G – diesen starken Eingriff vor allem für Ungeimpfte – weniger lang zu verlängern.

Wieder auf 3G zu gehen in einem Moment, wo wir einfach noch nicht genügend Tests haben und diese Welle so hoch ist – mit fast 40'000 Ansteckungen pro Tag –, das wäre auch unehrlich gewesen. Das heisst, wir haben nur entschieden, dass wir mit diesen Massnahmen, die uns bis jetzt im Winter geholfen haben, weiterfahren. Wir hoffen, dass es möglich sein wird, schneller zu lockern. Wir wissen es aber noch nicht.

Wir hoffen, dass es möglich sein wird, schneller zu lockern.

Reden wir über die Quarantäne. Zahlreiche Kantone und die Wirtschaftsverbände sagen, die Quarantäne solle jetzt ganz weg. Warum will sie der Bundesrat noch fünf Wochen beibehalten?

Noch einmal: Es ist eine Verlängerung bis Ende Februar. Wir werden aber bald schauen, ob wir die Quarantäne noch brauchen. Sie total abzuschaffen, gerade in der Mitte der mit Abstand grössten Welle, wäre auch ein komisches Signal gewesen. Diese Quarantäne hilft. Und sie ist begrenzt: nur noch fünf Tage, nur noch für Personen, die unter dem gleichen Dach leben. Das heisst: Für Personen, die ein grosses Risiko haben, sich anzustecken. Das hilft, die Zirkulation des Virus zu dämpfen und ist von Vorteil für die Wirtschaft, für die Unternehmen, damit man das Virus nicht einfach einschleppen lässt.

Die Quarantäne total abzuschaffen, gerade in der Mitte von der mit Abstand grössten Welle, wäre auch ein komisches Signal gewesen.

Wenn es möglich ist, werden wir auch das lockern. Ende Februar wäre das schon eine riesige Entwicklung in der Pandemie. Das erste Mal seit zwei Jahren würden wir Ende Februar mit dieser Quarantäne aufhören.

Aber wenn sich so viele Leute anstecken, dann bringt die Quarantäne nur noch wenig. Das sagt die sonst sehr vorsichtige Taskforce.

Bei steigenden Fallzahlen alle Massnahmen aufheben – das funktioniert nicht. Das ist absurd. Sie steigen, aber sie steigen sehr wahrscheinlich weniger stark und sind noch unter Kontrolle, weil wir gewisse Massnahmen haben. Doch wenn die Spitalsysteme in dieser guten Situation bleiben – das werden wir noch in den nächsten Wochen sehen –, dann gibt es Raum für Entspannungen. Und das werden wir laufend beobachten.

Wenn die Spitalsysteme in dieser guten Situation bleiben, dann gibt es Raum für Entspannungen.

Sie haben Omikron bei Geimpften vergangene Woche mit einer Erkältung verglichen. Viele haben das als Signal verstanden, das man jetzt rasch lockern kann.

Wir müssen immer sagen, was wir sehen. Ich bin kein Epidemiologe, höchstens in den letzten zwei Jahren so etwas wie ein Hobby-Epidemiologe geworden. Aber man muss schon sehen: Wenn die Wahrheit ist, dass für Leute, die geimpft oder geboostert sind, in der grossen Mehrheit der Fälle die Symptome sehr leicht sind, dann müssen wir das sagen. Ich habe nicht mehr und nicht weniger gesagt. Das ist auch anerkannt. Das dann zu interpretieren, als ob es das Ende der Pandemie oder als ob Corona eine Grippe wäre, ist falsch. Das ist eine Verkürzung, die einfach nicht gilt.

Das Gespräch führte Dominik Meier.

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Rundschau, 19.1.2022, 20:05 Uhr ; 

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