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Nur wenige Väter beantragen Vaterschaftsurlaub
Aus Schweiz aktuell vom 07.04.2022.
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Papizeit in der Schweiz Harziger Start für den Vaterschaftsurlaub

Seit dem 1. Januar 2021 können Väter in der Schweiz zwei Wochen bezahlten Vaterschaftsurlaub beziehen. Doch nur wenige haben das Angebot im ersten Jahr genutzt. Weshalb?

Zehn freie Tage dürfen frisch gebackene Väter nach der Geburt ihres Kindes beziehen. Das hätte im vergangenen Jahr rund 89'000 Männer betroffen – denn laut der provisorischen Bevölkerungsstatistik des Bundes kamen 2021 so viele Kinder auf die Welt. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) weist bislang jedoch nur rund 42'000 Väter aus, die Entschädigungen ausbezahlt bekommen haben. Auch, weil nicht alle Väter Anspruch auf die Versicherungsleistung haben.

Im Kanton Zürich mit jährlich rund 17'000 Geburten sind bei der Sozialversicherungsanstalt (SVA) in vergangenen Jahr knapp 2800 Anmeldungen von Vätern eingegangen. «Wir hätten etwa das Doppelte an Anmeldungen von Vätern erwartet, da wir im selben Zeitraum 8300 Anmeldungen von Müttern erhalten haben», sagt Daniela Aloisi, Kommunikationschefin bei der SVA Zürich.

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Daniela Aloisi: «Der Vaterschaftsurlaub etabliert sich langsam»
Aus News-Clip vom 07.04.2022.
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Von einem verhaltenen Start des Vaterschaftsurlaubs berichtet auch Andreas Leuenberger von der Ausgleichskasse des Kantons Bern: «Wir bemerken, dass viele Väter, die eine Vaterschaftsentschädigung beantragen könnten, dies gar nicht tun. Während Mütter ihren Erwerbsersatz konsequent anmelden, haben dies im ersten Jahr des Vaterschaftsurlaubs nur wenige Männer getan.»

So funktioniert der Vaterschaftsurlaub

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Alle erwerbstätigen Väter in der Schweiz haben das Recht auf einen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub, also auf zehn freie Arbeitstage. Sie können diesen Urlaub innerhalb von sechs Monaten nach Geburt des Kindes beziehen, am Stück oder verteilt auf einzelne Tage.

Eine Entschädigung erhalten Väter, die zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes erwerbstätig waren, sei es als Arbeitnehmer oder als Selbstständiger. Sie müssen zudem in den neun Monaten vor der Geburt in der AHV obligatorisch versichert und in dieser Zeit mindestens fünf Monate lang erwerbstätig gewesen sein. Die Entschädigung geht entweder direkt an den Arbeitnehmer oder an den Arbeitgeber, wenn dieser den Lohn während des Urlaubs weiterhin bezahlt.

Der Erwerbsausfall im Vaterschaftsurlaub wird über die Erwerbsersatzordnung (EO) entschädigt – analog zum Mutterschaftsurlaub. (Quelle: BSV)

Dieser Eindruck bestätigt sich in den Kantonen St. Gallen und Aargau. 978 Anmeldungen von Vätern sind im Aargau 2021 eingegangen. Verglichen mit den 1916 Anmeldungen für Mutterschaftsentschädigung habe man mit deutlich mehr Anmeldungen von Vätern gerechnet, schreibt die SVA Aargau auf Anfrage von SRF. Wieso beziehen so wenige Väter Vaterschaftsurlaub, wo dieser doch an der Urne mit über 60 Prozent Ja-Stimmen angenommen wurde?

Väter kritisieren Arbeitgeber

Markus Theunert, Leiter des Dachverbands Männer.ch und Fachleiter des Väternetzwerks Schweiz, gibt den Arbeitgebern die Schuld. «Wir sind sicher, dass ein beträchtlicher Teil der Männer eigentlich Vaterschaftsurlaub beziehen möchte, aber nicht genug Mut hat, das anzumelden.» Denn auch wenn die Arbeitgeber rechtlich zur Gewährung des Vaterschaftsurlaubs verpflichtet sind, fehlen die frisch gebackenen Väter dann am Arbeitsplatz. Das sei besonders für KMU und kleinere Familienfirmen nicht einfach verkraftbar.

Dass Arbeitgeber ihren Mitarbeitern den Vaterschaftsurlaub verbieten, glaubt Theunert zwar nicht. Aber: «Gewisse Arbeitgeber bringen wohl subtil zum Ausdruck, dass es schon besser wäre, wenn ein Vater den Urlaub nicht bezieht und dabei auch an seine Karriere denken sollte.»

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Markus Theunert: «Vaterschaftsurlaub muss auch von Arbeitgeberseiten klar anerkannt werden»
Aus News-Clip vom 07.04.2022.
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Auch Daniela Aloisi von der Sozialversicherungsanstalt Zürich erzählt: «Viele Väter sagen uns am Telefon, dass ihr Arbeitgeber dem Vaterschaftsurlaub gegenüber kritisch eingestellt sei. Das dürfte dazu geführt haben, dass der eine oder andere Vater 2021 auf seinen Anspruch verzichtet hat.»

Arbeitgeberverbände weisen Vorwürfe zurück

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Der Schweizerischer Arbeitgeberverband unterstützt die Aussage, dass Unternehmen in Bezug auf den Vaterschaftsurlaub Druck auf ihre Arbeitnehmer ausüben, nicht. «Die Rückmeldungen unserer Mitglieder gehen in eine andere Richtung. Die Firmen nehmen die Signale, vermehrt auch von Vätern, nach mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf ernst, und versuchen, auf ihre Bedürfnisse einzugehen», sagt Geschäftsleitungsmitglied Daniella Lützelschwab. Dazu seien die Firmen gesetzlich verpflichtet – zudem mache es ein Unternehmen auch attraktiver, wenn es gute Anstellungsbedingungen biete.

Ähnlich sieht das der Arbeitgeberverband Zürich VZH. «Es wäre sehr kurzfristig gedacht von einem Unternehmen, wenn es Mitarbeiter beim Vaterschaftsurlaub zurückhalten würde», sagt Geschäftsleiter Hans Strittmatter. Und weiter: «Wir befinden uns in einem Fachkräftemangel. Nun auf eine junge Fachkraft Druck auszuüben, bringt nichts – da sinkt nur die Motivation.» Strittmatter führt die tiefen Bezugszahlen des Vaterschaftsurlaubs auf dessen mangelnde Bekanntheit und die rechtlich herausfordernde Umsetzung zurück.

Darüber hinaus sei der Vaterschaftsurlaub bereits drei Monate nach der entsprechenden Abstimmung angenommen worden. «Das ist eine sehr kurze Zeitspanne. Jede neue Leistung braucht eine gewisse Zeit, um sich zu etablieren.»

Anmeldungen der Väter dürften steigen

Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) führt einen weiteren Grund für den harzigen Start des Vaterschaftsurlaubs in der Schweiz ins Feld. Das BSV spricht von insgesamt 98 Millionen Franken, die im vergangenen Jahr für rund 42'000 Väter abgerechnet wurden. Die Zahl sei jedoch provisorisch und dürfte sich in den kommenden Monaten noch erhöhen. Denn Väter können den Vaterschaftsurlaub innerhalb von sechs Monaten ab Geburt beziehen und ihren Anspruch auf Entschädigung erst nach Bezug des letzten Urlaubstages geltend machen. Entsprechend sind viele Urlaubsbezüge nach Geburten im 2021 noch gar nicht abgerechnet.

Für die Zukunft zeigt sich eine steigende Tendenz, wie auch Daniela Aloisi ausführt. «Im ersten Quartal 2022 haben wir in Zürich bereits 1800 Anmeldungen von Vätern bekommen. Das sind deutlich mehr als im Vorjahr und zeigt, dass sich die Leistung langsam etabliert.» Im zweiten Jahr nach Einführung dürften sich wohl deutlich mehr Männer für den Vaterschaftsurlaub anmelden.

Schweiz aktuell, 07.04.2022, 19:00 Uhr

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