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Personalmangel bei Busbetrieb St. Galler Busfahrer klagen über geringe Löhne und Wertschätzung

St. Gallen sucht dringend nach Busfahrerinnen und Busfahrern. Viele haben gekündigt. Die Gründe sind vielfältig.

Jeder zehnte Angestellte ist den Verkehrsbetrieben St. Gallen VBSG davongelaufen. Die Wertschätzung sei zu klein, der Stress enorm, der Einstiegslohn zu tief – so lauten etwaige Gründe. Einige seien kurz vor einem Burnout gestanden.

Was läuft da schief? Schichtanfang bei Bus-Chauffeur Markus Zeller. Er wartet am St. Galler Hauptbahnhof auf den Fahrer, den er ablösen soll. Der Blick geht zur Anzeigetafel. Verspätung? «Ja, das ist jeden Abend so. Von 2 bis 10 Minuten, das ist normal.»

Bahnhof St. Gallen mit Bus und Passanten
Legende: Auf Passanten am St. Galler Hauptbahnhof müssen die Busfahrer besonders achten. Keystone / Gian Ehrenzeller

Dann kommt der Kollege. Der Stress beginnt schon vor Schichtstart. Einige Passagiere sind wegen der Verspätungen genervt. Heisst auch: Anspannung für den Chauffeur.

Leute gehen vor dem Fahrzeug durch, da ist neben dem zeitlichen Druck höchste Vorsicht geboten. «Damit sich die Verspätung nicht unnötig summiert, fahre ich los und stelle beispielsweise die Rückspiegel an einer späteren Haltestelle noch genauer ein», sagt Zeller.

Zeit aufholen wird schwierig: Baustellen, Staus, gleichzeitig eine Meldung der Zentrale, dass eine Stromleitung Störungen habe.

Bald kommt die Endstation. Laut Dienstplan ist dies eine Möglichkeit, kurz auszutreten. Aber: «Ich sollte schon weg sein. Das heisst, die WC-Pause ist gestrichen», sagt Zeller. Das sei keine Seltenheit, so der Chauffeur weiter.

Viele Meldungen erreichen Gewerkschaft

Der Stress werde grösser, sagt Gewerkschafterin Alexandra Akeret. Es hagle Kündigungen, die Stimmung sei schlecht, viele seien am Anschlag. Die SP-Stadtparlamentarierin sagt: «Es kommen viele Leute zu uns. Sie sagen: Wir können nicht mehr.»

Bei uns läuft nichts schief. Wir würden die tiefen Löhne gerne anheben.
Autor: Ralf Eigenmann Direktor Verkehrsbetriebe St. Gallen

28 Chauffeure der VBSG hängten ihren Job an den Nagel. Im Busdepot wartet Direktor Ralf Eigenmann: «Bei uns läuft nichts schief. Wir würden die tiefen Löhne und den Einstiegslohn gerne anheben. Aber wir sind hier nicht frei. Wir sind eine Dienststelle der Stadt. Es gibt ein Personalreglement und eine Lohnskala.»

Der Lohn ist das eine, das andere die Wertschätzung. Ein Mitarbeiter, der anonym bleiben will, erzählt, wie schlecht die Stimmung sei: «Wir werden heruntergemacht und beschimpft. Einen solchen Umgangston habe ich noch nie erlebt. Man bekommt immer wieder auf den Deckel, hört nur Negatives. Kein Lob, kein Dank. Ich verstehe jeden, der das nicht mehr mitmachen will und darum geht.»

Druck statt Wertschätzung

Weil Personal fehlt, werde der Druck auf jene höher, die geblieben sind, sagt die Gewerkschaft: «Es heisst, man sei faul und illoyal. Du musst dich doch jetzt für die anderen einsetzen. Es trifft immer die gleichen. Da ist einfach die Gefahr, dass die dann plötzlich auch nicht mehr können», sagt Alexandra Akeret.

Der Vorwurf: Statt Wertschätzung gibt es den Druck, einzuspringen. VBSG-Direktor Eigenmann entgegnet: «Das sind wahrscheinlich Ausnahmefälle, das kann sein, wenn jemand notorisch immer Nein sagt. Aber im grossen Ganzen sind die Leute sehr hilfsbereit.»

Im Worst Case müssten wir Kurse ausfallen lassen.
Autor: Ralf Eigenmann Direktor Verkehrsbetriebe St. Gallen

Im Moment suche man mit Hochdruck neue Leute und bilde Fahrpersonal aus. Man sei zuversichtlich, dass es klappe, sonst könne es eng werden, sagt Eigenmann. «Wenn so viele Leute weg sind, was könnte das bedeuten? Im Worst Case müssten wir Kurse ausfallen lassen. Bis jetzt mussten wir das noch nicht.»

Schweiz aktuell, 30.11.2022, 19:00 Uhr ; 

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