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Personalnot bei der Polizei «Das ist eine Negativspirale – ich sehe schwarz»

Basel-Stadt laufen die Polizistinnen und Polizisten davon – auch etliche andere Städte kämpfen mit ähnlichen Problemen.

Eine Kündigung nach der anderen landet auf dem Tisch der Basler Polizei: Allein seit Anfang Jahr haben bereits 39 uniformierte Polizistinnen und Polizisten den Dienst quittiert. Guter Nachwuchs zu rekrutieren, sei schwierig. Wie die Zeitung «bz Basel» schreibt, führe das zu massiven Personalproblemen im Korps der Kantonspolizei.

Basel-Stadt: Jede zehnte Stelle nicht besetzt

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Polizisten vor Basler Rathaus
Legende: Basel-Stadt laufen die Polizisten davon. Keystone

Gegenwärtig sind 90 Vollzeitäquivalente beim uniformierten Personal der Basler Polizei nicht besetzt. Das entspricht einem Anteil von rund 10 Prozent des gesamten Bestands.

Kündigungswelle

In den vergangenen Jahren musste die Basler Polizei jährlich eine wachsende Zahl an Kündigungen hinnehmen. 2019 waren es 14 Kündigungen. 2020 stieg diese Zahl auf 23 und 2021 bereits auf 33 an.

Der Personalnotstand hat konkrete Auswirkungen: «Es ist schwierig, Leute aufzubieten, wenn es um Fussballspiele oder Demonstrationen geht», sagt Polizeisprecher Adrian Plachesi und ergänzt: «Aber auch wenn es zum Beispiel um Lärmprobleme geht, kann es sein, dass wir dafür keine Beamten mehr haben.»

Irgendwann mögen auch die übrig gebliebenen nicht mehr. Ich sehe schwarz.
Autor: Harald Zsedényi Vizepräsident Basler Polizeibeamten-Verband

Als unhaltbar bezeichnet Harald Zsedényi, Vizepräsident des Basler Polizeibeamten-Verbands, die Situation: «Das ist eine Negativspirale.» Denn die grosse Arbeitslast müsse auf immer weniger Schultern verteilt werden. «Aber irgendwann mögen auch die Übriggebliebenen nicht mehr. Ich sehe schwarz.»

Rekordanzahl an Demos sorgt für Stress bei Polizei

Gründe für die zunehmende Arbeitslast gibt es mehrere: Gewaltdelikte, viele Einsätze an Wochenenden sowie Fussballspiele mit Grossaufgebot für die Polizei. Und weiter ist die Zahl der Demonstrationen in den letzten Jahren enorm gestiegen – was für die Beamten eine grosse Zusatzbelastung bedeute.

Während der Stress für Basler Polizistinnen und Polizisten zugenommen habe, sei der Lohn tiefer als in vielen anderen Polizeikorps. Das sei eine toxische Mischung, sagt der Basler Grossrat Christoph Hochuli (EVP). Er ist selber Polizist – weiss daher aus seiner täglichen Arbeit, wo der Schuh drückt: «In anderen Kantonen gibt es mehrere 100 bis sogar 1000 Franken mehr Lohn pro Monat. Und das bei geringerer Arbeitslast, weniger Wochenend- und Nachtdiensten. Da überlegt sich schon der eine oder die andere, zu wechseln.»

Problem in vielen Schweizer Städten

In Basel-Stadt ist die Situation besonders angespannt – allerdings steht Basel mit dem Phänomen nicht allein da. Viele Schweizer Städte kämpfen mit ähnlichen Problemen. Seit Mitte Juli bleiben im Kanton St. Gallen zum Beispiel gleich fünf lokale Polizeistationen vorübergehend geschlossen. Auch hier: Grund dafür sind Personalengpässe wegen personalintensiven Veranstaltungen und erhöhtem Zeitbedarf bei leicht zunehmenden Einsätzen. 

Im Einsatz standen sie zum Beispiel am WEF in Davos, an der Ukraine-Konferenz in Lugano oder am IWF in Bad Ragaz. Als weiter Massnahme reduziert die Polizei vorübergehend einige freie polizeiliche Arbeiten. Darunter fallen Tempo-Kontrollen, Fahndungen, Raser-Kontrollen, Lärm-Kontrollen und präventive Aufgaben. Die Sicherheit bleibe aber gewährleistet, heisst es seitens der Kantonspolizei.

Immer wieder höre ich aus der Bevölkerung, dass sie die 117 angerufen haben – und niemand gekommen sei. Das darf doch nicht wahr sein.
Autor: Felix Wehrli Grossrat SVP/BS

Ähnlich präsentiert sich die Situation auch in Zürich, Bern oder etwa im Kanton Luzern. 22 Polizeiposten haben hier «Sommerferien». Und «Polizist gesucht», heisst es auch im Kanton Zug. Um dem Personalmangel entgegenzuwirken, hat der Kanton den Wohnsitzrayon für Mitarbeitende stark ausgedehnt.

Basel: Paket mit Verbesserungsvorschlägen

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In Basel war beim zuständigen Justiz- und Sicherheitsdepartement (JSD) weder die Vorsteherin Stephanie Eymann (LDP) noch der Polizeikommandant Martin Roth für eine Stellungnahme erreichbar.

Wie die Zeitung «bz Basel» aber schreibt, hat die Leitung der Kantonspolizei reagiert. Sie hat der Sicherheitsdirektorin ein Massnahmenpaket mit Verbesserungsvorschlägen unterbreitet. Details dazu wurden aber nicht kommuniziert.

In Basel fordern jetzt Politikerinnen und Politiker von links bis rechts Massnahmen. SVP-Grossrat Felix Wehrli, selbst langjähriger Kriminalbeamter beim Kanton Basel-Stadt, hat einen Vorstoss eingereicht: «Immer wieder höre ich aus der Bevölkerung, dass sie die 117 angerufen haben – und niemand gekommen sei. Das darf doch nicht wahr sein.»

Regionaljournal Basel, 20.07.2022, 17.30 Uhr ; 

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