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Pfadi boomt nur bei Schweizern Kaum Migrantenkinder in der Pfadi: «Eine verpasste Chance»

In der Pfadi machen so viele Kinder und Jugendliche mit wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Doch Zugewanderte sind selten.

Die Zeiten, in denen die Schweizer Pfadibewegung von Nachwuchssorgen geplagt war, sind definitiv vorbei: Rund 50'000 Pfadfinderinnen und Pfadfinder gibt es derzeit; das sind so viele wie seit zwanzig Jahren nicht mehr.

«Wir sind stark gewachsen in den letzten Jahren», sagt auch Sibylle Hotz, Pfadileiterin im zugerischen Baar. Mit Gleichaltrigen in der Natur sein, Lagerfeuerromantik erleben – das stehe im Moment wieder hoch im Kurs.

Schweizer Pfadis bleiben weitgehend unter sich

Doch trotz Pfadi-Boom: Die Jugendorganisation bleibt weitgehend eine Schweizer Angelegenheit. Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund gibt es nur wenige, das ist auch in Baar nicht anders. Wahrscheinlich habe das damit zu tun, dass viele zugewanderte Familien gar nicht recht wüssten, was die Pfadi überhaupt sei, vermutet Hotz.

Vier Mädchen bauen ihr Zelt nach einem Pfadilager ab.
Legende: Ein Zeltlager – schön und gut, aber wozu? Vielen zugewanderten Familien sei nicht klar, was in der Pfadi passiere, vermutet Pfadileiterin Sybille Hotz. Keystone

«Wer gerne singt, geht in einen Chor, wer gerne Fussball spielt, geht in einen Fussballklub», sagt sie. «Aber die Pfadi? Viele glauben, wir gehen einfach in den Wald, zünden ein Feuer an und kommen stinkend wieder heim.»

Wie die Grossmutter, so die Tochter, so die Enkelin

Die Pfadi ist für viele Menschen mit Wurzeln in anderen Ländern eine Blackbox: Zu diesem Schluss kommt auch Anya Heini. Sie hat im Rahmen einer Weiterbildung an der Hochschule Luzern ein Pilotprojekt lanciert, dass darauf abzielt, Ausländerinnen und Ausländer besser an Schweizer Vereine heranzuführen. Sie sollen so einfacher Kontakte zu Einheimischen knüpfen können.

Heinis Erkenntnis: «Die meisten Schweizer sind in der Pfadi, weil es ihre Eltern schon waren.» Der Bezug zur Pfadi vererbe sich innerhalb der Familien weiter, während Zugewanderte aussen vor blieben.

Jugendliche auf dem Gelände des Pfadi-Bundeslagers 1980 im Greyerzerland.
Legende: Pfadfinder auf dem Weg ins Bundeslager 1938 im zürcherischen Adlisberg: Wer hier dabei war, hat das Pfadi-Gen ziemlich sicher an seine Nachkommen weitervererbt. Keystone

Dazu kommt: Pfadis benötigen Wanderschuhe, Schlaf- und Rucksack. All das sprenge das Budget vieler Einwandererfamilien, sagt Anya Heini. Zudem seien viele Eltern skeptisch, weil die Leitungsteams sehr jung oder die Pfadis nicht nach Geschlechtern getrennt sind.

Pfadi würde Zugwanderten wertvolle Kontakte bringen

Schweizer Kinder bleiben in der Pfadi darum meist unter sich – und das sei eine «verpasste Chance», sagt Heini. «Über die Pfadi könnte viel gesellschaftliche Integration passieren. Kinder und ihre Eltern könnten wertvolle Kontakte knüpfen, auf allen Seiten könnten Vorurteile abgebaut werden.»

Über die Pfadi könnte viel gesellschaftliche Integration passieren.
Autor: Anya Heini Leiterin eines Pilotprojekts

Das Bewusstsein dafür steige zwar langsam, sagt Any Heini. Wichtig sei aber, dass die Pfadis nicht bloss mit Broschüren und Veranstaltungen versuchten, an zugewanderte Eltern und ihre Kinder zu kommen. «Sie müssen zu den Leuten nach Hause, müssen an ihre Treffpunkte», sagt sie.

Wichtig sind Vorbilder, die das Eis brechen

Für ihr Projekt habe sie Migrantinnen und Migranten stundenlang verschiedene Vereine vorgestellt, Kontakte zu Vereinsverantwortlichen hergestellt und die Menschen dorthin begleitet, so Anya Heini. Das sei zwar alles aufwändig. Aber: «Wenn es den Leuten im Verein gefällt, dann gibt es die Chance eines Schneeball-Effekts. Sie erzählen in ihrer Community davon und werden zu Vorbildern für andere Zugewanderte. Dann ist das Eis gebrochen.»

In der Pfadi Baar ist es möglich, dass dieser Schneeball-Effekt kurz bevorsteht. Seit kurzem seien einige Kinder mit Migrationshintergrund in die Abteilungen der «Biberli» und der «Wölfli» eingetreten, sagt Pfadileiterin Sibylle Hotz. «Ich hoffe, sie bleiben dabei – bis sie irgendwann selber Führungspositionen übernehmen können.» 

SRF 1, Reginaljournal Zentralschweiz, 20.07.2022; 17:30 Uhr ; 

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