Zum Inhalt springen

Pfadizentrum in Kandersteg Im Dorf nennen sie die Pfadis «Maggiwürfle»

Seit 100 Jahren ist Kandersteg Treffpunkt der internationalen Pfadibewegung. Was das Dorf im Berner Oberland davon hat und wie die Pfadis zu ihrem Spitznamen gekommen sind.

Gewusel und Aufbruchsstimmung vor dem Chalet des internationalen Pfadizentrums in Kandersteg. Es ist neun Uhr morgens. Ein paar Jugendliche spurten zu einem der Busse, der sie zum heutigen Ausflugsziel bringt. Andere Pfadigruppen sitzen noch an einem der Holztische und müssen auf ihre Gspändli warten, bevor die Wanderung oder Klettertour starten kann.

Seit sich Pfadigründer Robert Baden-Powell in das Dorf und seine Natur verliebt hat, strömen jährlich tausende Pfadfinderinnen und Pfadfinder nach Kandersteg. Treffpunkt: das internationale Pfadizentrum. Vor 100 Jahren wurde es eröffnet – und hat seither das Dorf geprägt. «Die Pfadis mit ihren bunten Foulards, meist in Gruppen unterwegs, gehören zum Kandersteger Dorfbild», sagt Gemeinderatspräsident René Mäder.

Pfadizentrum Kandersteg, Chalet im Hintergrund, im Vordergrund Pfadis sitzen an Holztischen
Legende: Aus über 60 Nationen: Rund 1500 Pfadfinderinnen und Pfadfinder besuchen das Jubiläumslager. SRF/Sabine Steiner

Gar in den lokalen Sprachgebrauch haben es die Pfadis geschafft. «Wir nennen sie im Dorf ‹Maggiwürfle›. Das ist aber liebevoll gemeint», stellt Mäder klar. Der Grund für den Übernamen: «Früher kauften die Pfadigruppen jeweils viele Bouillonwürfel im Dorfladen ein. Das ist den Einheimischen aufgefallen und der Spitzname ist geblieben.»

15'000 Gäste jedes Jahr

Die Kandersteger sind den Pfadis wohlgesinnt. «Wir sind froh, das internationale Pfadizentrum in der Gemeinde zu haben», so Gemeinderatspräsident Mäder. Mit den Pfadis komme auch Internationalität, ja die ganze Welt ins Dorf. «Die Pfadis sind ein Mosaiksteinchen des Kandersteger Tourismus.» Ein Mosaiksteinchen, das sich aber nicht verstecken muss.

So kam die internationale Pfadibewegung nach Kandersteg

Box aufklappen Box zuklappen

1907 gründet Robert Baden-Powell in England die Pfadfinderbewegung. Nach dem ersten Weltpfaditreffen 1920 sucht Baden-Powell nach einem geeigneten Ort für ein permanentes internationales Pfadilager.

Der damalige Leiter der Schweizer Pfadi, Walther von Bonstetten, findet in Kandersteg ein verlassenes Chalet. Es diente beim Bau des Lötschbergtunnels als Unterkunft für die Familien der Arbeiter.

Die Pfadi kann das Chalet kaufen und eröffnet 1923 das internationale Pfadizentrum Kandersteg.

Bis zu 15'000 Gäste aus rund 60 Ländern besuchen jedes Jahr das internationale Pfadizentrum und generieren im Schnitt über 65'000 Übernachtungen. Das entspricht fast 70 Prozent aller Übernachtungen in Kandersteg. «Die Kurtaxen schlagen sich auch in der Gemeindekasse nieder», erklärt Patrick Jost, Leiter des lokalen Tourismusbüros.

Ohne Pfadizentrum im Dorf wäre das Loch in der Kasse des Schwimmbades noch grösser.
Autor: René Mäder Gemeinderatspräsdient Kandersteg

Aber auch das Gewerbe profitiere, sagt der Touristiker: Souvenirshops, Restaurants, Lebensmittelläden. «Eine Bäckerei liefert beispielsweise momentan täglich mehrere hundert Kilo Brot ins Zentrum.» Ausserdem nutzten die Pfadigruppen regelmässig die Infrastruktur der Gemeinde, wie die Kunsteisbahn oder das Schwimmbad, ergänzt Gemeinderatspräsident René Mäder. «Ohne Pfadfinder im Dorf wäre das Loch in der Kasse des Schwimmbades noch grösser.»

Blick auf kleines Zeltdorf, Wäsche hängt in einem Pavillon
Legende: Die Pfadfinderinnen und Pfadfinder sind tagsüber in der Region unterwegs: auf Klettersteigen, Wanderwegen oder in der Badi. SRF/Sabine Steiner

Aber am wichtigsten – davon sind beide überzeugt – ist die Werbung, die das Zentrum für die Tourismusregion macht. «Viele Pfadfinderinnen und Pfadfinder kommen zurück nach Kandersteg», so René Mäder. Darum profitiere die Gemeinde auch langfristig von den 15'000 Pfadis jedes Jahr, meint auch Patrick Jost. «Die Pfadis von einst kommen dann als Eltern oder Grosseltern mit ihren Familien zurück nach Kandersteg.»

Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 03.08.2023, 17:30 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel