Wer kennt die Situation nicht: Ein junger Mann wippt nervös hin und her. Vor ihm steht ein älterer Herr, versucht, mit dem Kassierer zu plaudern und klaubt gleichzeitig umständlich das Münz aus seinem Portemonnaie. Der junge Mann schnaubt hörbar, als dem älteren Herrn auch noch ein paar Münzen auf den Boden fallen.
An zwei speziellen Kassen der Migros im Basler Gundeli-Quartier und einer Apotheke in schicken Gellertviertel soll es solche Situationen nicht mehr geben. An den speziell eingerichteten «Plauderkassen» sollen Jung und Alt verweilen dürfen. Wer hier ansteht, darf also nicht gestresst sein.
Nicht nur ältere Menschen sind einsam, sondern auch jüngere.
Eingerichtet haben die Apotheke und die Migros die beiden Kassen auf Anregung des Vereins «Gsünder Basel». Geschäftsleiterin Stefanie Näf: « Studien zeigen, dass rund ein Drittel der Bevölkerung in der Schweiz einsam ist. Das sind nicht immer Betagte, sondern durchaus auch junge Menschen.» Und genau an diese Leute richtet sich das neue Angebot.
Gestartet ist das vorderhand auf sechs Monate angelegte Projekt am Montag in der Gellert-Apotheke. Am Dienstag war die Migros dran. Eine ältere Dame findet das Projekt sehr sinnvoll. «Manchmal finde ich niemanden zum Plaudern, obwohl ich das sehr gerne mache», erklärt sie vielsagend. Sie werde sicher hin und wieder an die spezielle Kasse zurückkehren.
Eine andere ältere Dame meint, sie habe halt keine Bezahlkarte. Daher daure es bei ihr länger, bis sie das Münz parat habe. Wenn dann einer hinter ihr stehe, der hörbar schnaufe, kaum habe sie das Portemonnaie hervorgeholt, mache sie das nur noch nervöser. «Ich begrüsse dieses Angebot daher», sagt sie. Und ein älterer Herr erzählt prompt, wie ihm ein paar Tage zuvor eine schwangere Katze zugelaufen sei, die er bestimmt vor dem sicheren Hungertod bewahrt habe.
Manchmal tragen wir den Leuten ihre Einkäufe bis nach Hause.
Die Idee für die Plauderkassen stammt aus Holland. Dort gibt es schon etliche dieser Kassen in einer Supermarktkette. Bei der Migros in Basel werden jene Mitarbeitenden eingesetzt, die häufig schon seit vielen Jahren in einer Filiale beschäftigt sind und die Leute mit ihren Geschichten bereits kennen. «Damit holen wir die Leute dort ab, wo sie sind», sagt Näf von Gsünder Basel.
Mitarbeitende ihrer Organisation stehen neben den Kassen und bieten sich an, mit der Kundschaft weiter zu plaudern. «Manchmal tragen wir den Leuten ihre Einkäufe auch bis nach Hause», sagt Näf weiter.
Feste Plauderkassen geplant
Ziel sei, den Leuten für ein paar Minuten Gesellschaft zu leisten. Und wenn es sich ergebe, könne man eine Person auch mit einer andern Organisation vernetzen. Es gehe nicht nur darum, sozial auffällige Menschen aufzuspüren. «Es kann auch sein, dass wir für eine schachinteressierte Person einen geeigneten Club finden.»
Vorderhand gibt es erst zwei dieser Plauderkassen. Das Pilotprojekt ist auf sechs Monate ausgelegt. Falls das Angebot auf reges Interesse stösst, soll es fest eingerichtet werden, und die Zahl der Kassen ausgeweitet werden. Finanziert wird die Pilotphase von der CMS-Stiftung und dem Basler Gesundheitsdepartement.