Der Steinadler und der Wanderfalke brüten in steilen Felswänden. Diese Wände sind für Pilotinnen und Piloten von Gleitschirmen und Deltas allerdings auch interessant – wegen der Thermik. Dies führt zu Konflikten.
David Jenny arbeitet im Engadin für die Schweizerische Vogelwarte und ist selber Gleitschirmpilot. Er kennt die Problematik deshalb gut. «Die Vögel werden von den grossen Silhouetten der Fluggeräte während der Brut gestört», sagt er. Man habe schon beobachtet, dass die Vögel einen Brutplatz bei solchen wiederkehrenden Störungen für immer aufgeben.
Die Vögel verlassen ihre Nester, wenn sie immer wieder gestört werden.
Pilotinnen und Piloten werden im Kanton Graubünden deshalb künftig angehalten, bekannte Brutorte von Steinadlern und Wanderfalken zu meiden. «Bei Erfolg soll das Projekt auf die ganze Schweiz ausgedehnt werden», so Jenny zu SRF.
Wildhut liefert Informationen
Den Anstoss für das Pilotprojekt gab der Schweizerische Hängegleiterverband SHV. Seine Umweltbeauftragte, Alexandra Schuler, sagt, man habe in den letzten Monaten den Kontakt mit der Vogelwarte gesucht.
Als dritten Partner haben die beiden Organisationen das Bündner Amt für Jagd und Fischerei mit ins Boot geholt. Beobachten die amtlichen Wildhüter eine Steinadler- oder Wanderfalkenbrut in einem beliebten Fluggebiet, melden sie dies der Vogelwarte und dem SHV.
Ein «Bieps» zum Schutz
Dieser definiert dann, gemeinsam mit den Fluggebietsbetreuern von Clubs oder Flugschulen im betroffenen Gebiet, einen zylinderförmigen Schutzraum, der nicht mehr beflogen werden sollte.
Es liegt an den Flugschulen und -clubs ihre Mitglieder zu informieren. Gut ausgerüstete Piloten bekommen in der Luft auf ihrem Variometer einen «Bieps»-Alarm, wenn sie in eine solche Vogelschutzzone fliegen.
Es ist weiter freiwillig, die Schutzzonen zu umfliegen. Alexandra Schuler geht davon aus, dass die Akzeptanz gross sein wird: «ein Grossteil der Szene begrüsst diesen Schritt». David Jenny von der Vogelwarte ergänzt, es sei schon viel erreicht, wenn vier von fünf Piloten die Schutzzone umfliegen.
Begehrte steile Felswände
Die ersten Sperrzonen sollen in den nächsten Wochen eingerichtet werden können, wenn die Steinadler zu brüten beginnen. Mitte Juni, wenn die Jungvögel selbständiger geworden sind, werden die Einschränkungen wieder aufgehoben.
Surselva und Prättigau als Gradmesser
In Graubünden sind vor allem in der Surselva und im Prättigau Konfliktgebiete zwischen Gleitschirmen und Vögeln bekannt.
«Wenn sich zeigt, dass sich die Pilotinnen und Piloten an die Schutzzonen halten, könnte man auch in anderen Regionen der Schweiz ähnlich vorgehen», sagt David Jenny von der Vogelwarte zum Pilotprojekt im Kanton Graubünden.
Sowieso bleibe noch viel zu tun: Gleitschirmflüge seien nur ein Teil des Problems. Auch Helikopter- und Drohnenpiloten oder Naturfotografinnen sorgen immer wieder für Störungen, sagt David Jenny. Deshalb sei die Vogelwarte aktuell auch mit Interessensvertretern dieser Gruppen in Kontakt.