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Polemik um Nordkorea-Reise Béglés «Redseligkeit» könnte Konsequenzen haben

Der CVP-Nationalrat Claude Béglé sorgt mit verharmlosenden Tweets über das Regime in Pjöngjang für Unmut – auch im Parlament.

«Die schöne Seite des Sozialismus», twittert Claude Béglé während seiner zehntägigen Nordkorea-Reise. Eine traditionelle Aufführung mit Kindern hat es ihm offensichtlich angetan. Auch sonst scheint der CVP-Nationalrat positiv überrascht von den Lebens- und Arbeitsbedingungen im totalitären Staat:

Zwar seien die Löhne in einer Textilfabrik niedrig, doch der Staat kümmere sich um alles – von der Unterkunft übers Essen bis zur Bildung.

Die Reaktionen in den sozialen Medien fallen geharnischt aus. Ein Mitarbeiter von «Brot für alle» empfiehlt dem Waadtländer Politiker etwa die Lektüre eines Berichts der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Dieser dokumentiert die systematische Folter und Aushungerung der Insassen in den Arbeitslagern des Regimes.

Die zweite Polemik um Claude Béglé

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«Béglés Glaubwürdigkeit als Aussenpolitiker leidet massiv, zumal er sich in den sozialen Medien gerne mit Bildern von seinen Reisen und Treffen mit Politikern rund um die Welt zeigt», berichtet SRF-Korrespondent Andreas Stüdli aus der Romandie.

Zwar gehört Béglé auch in der Westschweiz nicht zur Polit-Prominenz. Aber: Einer breiteren Öffentlichkeit ist der ehrgeizige Waadtländer als ehemaliger Präsident der Schweizer Post bekannt: «Diesen Posten übte er allerdings nur knapp ein Jahr zwischen 2009-2010 aus – und trat damals ebenfalls nach einer Polemik zurück.» In der Deutsch- wie in der Westschweiz hafte Béglé deswegen bis heute der Ruf des gescheiterten Postpräsidenten nach.

Bei den Wahlen vom Oktober kandidiert der CVP-Politiker für National- und Ständerat. Die aktuellen Schlagzeilen dürften das Vorhaben erschweren, ist Stüdli überzeugt: «Er muss sich nach dieser Affäre darauf konzentrieren, überhaupt sein Nationalrats-Mandat zu behalten.» Allerdings seien die Chancen für einen CVP-Sitz im Ständerat von vorneweg minim gewesen.

Auch die Politik zeigt wenig Verständnis. CVP-Präsident Gerhard Pfister, der das Land 2008 selbst bereiste, geht gegenüber dem «Tages-Anzeiger» hart mit seinem Parteikollegen ins Gericht: «Er ist der nordkoreanischen Propaganda aufgesessen. (…) Ich werde mit ihm das Gespräch suchen.»

Wegen der Redseligkeit einzelner Parlamentsmitglieder darf die Reisefreiheit keinesfalls eingeschränkt werden.
Autor: Heinz Brand Nationalrat (SVP/GR)

Doch dabei soll es nicht bleiben. Um ähnliche Vorfälle zu verhindern, wollen die Büros von National- und Ständerat die Regeln für solche Auslandsreisen anpassen, schreibt der «Tages-Anzeiger». Ungeteilte Zustimmung findet das Vorhaben aber nicht.

Gegenüber SRF News sagt Heinz Brand, SVP-Nationalrat und Mitglied des Nationalratsbüros: «Ich erwarte von Kolleginnen und Kollegen, dass sie sich ihrer Verantwortung bewusst sind, wenn sie auf Auslandsreisen sind.» Insbesondere, was Verlautbarungen aus «kritischen Ländern» wie Nordkorea angehe.

Stellungnahme von Béglé

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CVP-Nationalrat Claude Béglé hat sich nach seinen umstrittenen Tweets über die nordkoreanische Diktatur in den sozialen Medien zu Wort gemeldet. Ein Stellungnahme will der Politiker nach seiner Rückkehr aus Pjöngjang abgeben.

Auf drei Seiten auf Twitter und Facebook erklärt der Waadtländer Nationalrat, dass er insbesondere nach Nordkorea gegangen sei, um mit eigenen Augen zu sehen, was dort vor sich gehe. Es handle sich um einen privaten Besuch ohne offizielles Mandat. Die Kommentare stammten allein von ihm, schreibt der frühere Verwaltungsratspräsident der Post.

Der Besuch sei zwar von nordkoreanischen Regierungsinstanzen abgesegnet worden. Er habe aber auf seine Neutralität und Unparteilichkeit bestanden, sagte Béglé. «Und dieser Wunsch wurde teilweise erfüllt, da ich mich alleine ohne Leibwächter bewegen und mich mit der Bevölkerung frei austauschen kann».

Allerdings: Zusätzliche Regelungen brauche es nicht. «Den Parlamentariern muss einfach vermehrt eingeschärft werden, dass sie im Ausland nicht als Privatpersonen auftreten können.»

Nun steht auch die Idee im Raum, dass Parlamentarier nicht mehr alleine reisen sollen. «Völlig überspitzt», findet der Bündner SVP-Mann: «Wegen der Redseligkeit einzelner Parlamentsmitglieder darf die Reisefreiheit keinesfalls eingeschränkt werden.»

SVP-Nationalrat Thomas Aeschi und die grüne Aargauer Regierungsrätin Susanne Hochuli (2016 in Eritrea).
Legende: Schon früher gaben Parlamentarier-Reisen zu reden: Etwa der Besuch einer von Israel besetzten Siedlung im Westjordanland oder eine Reise von fünf Parlamentariern nach Eritrea. Im Bild: SVP-Nationalrat Thomas Aeschi und die grüne Aargauer Regierungsrätin Susanne Hochuli (2016 in Eritrea). Keystone/Archiv

Parlamentarier seien bei privaten Reisen als Bürger unterwegs und verträten nicht die Schweiz, sagt Brands Parteikollege Rino Büchel. Doch «pseudo-offizielles Auftreten» könne zu Missverständnissen führen. In Béglés Fall habe Nordkorea sicher «eine Riesenfreude» an dessen Äusserungen gehabt.

Gesetz oder Verhalten ändern?

Büchel gehört zusammen mit den Nationalrätinnen Isabelle Moret (FDP/VD) und Elisabeth Graf-Litscher (SP/TG) zu der Arbeitsgruppe, die die bisherigen Regeln für Privatreisen von Parlamentariern überprüfen soll.

Graf-Litscher sieht Handlungsbedarf bei der Bezeichnung der Parlamentarier-Reisen. So brauche es Richtlinien, wann eine Schweizer Delegation als offizielle Delegation im Ausland unterwegs sein dürfe. Das sei umso wichtiger in Ländern, in denen die Schweiz eine diplomatische Rolle spiele.

Edith Graf-Litscher
Legende: Umstritten ist, ob nur die bisherigen Regeln angepasst werden sollen oder ob eine Änderung des Parlamentsgesetzes nötig wäre. Graf-Litscher (im Bild) schliesst eine Gesetzesänderung nicht aus. Das müsse das Büro an einer seiner nächsten Sitzungen entscheiden. Keystone/Archiv

Für die Nationalrätin sollten deshalb nur noch Reisen der Legislativkommissionen als offizielle Delegationen bezeichnet werden können. Denn diese seien für den Austausch mit anderen Ländern wichtig. Und sie müssten schon heute vom Büro des Nationalrats bewilligt werden.

Für Büchel muss eine offizielle Delegation eine gewisse Anzahl von Parlamentariern aufweisen und die ganze Parteienbreite beinhalten. «Einzelmasken» wie im Fall Béglé soll es seiner Meinung nach nicht mehr geben.

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