Die Debatte um die «links-grünen Schmarotzer-Städte» entfacht hat der SVP-Präsident Marco Chiesa. Er wohnt in der einzigen der zehn grossen Schweizer Städte, die nicht von Links-Grün oder Mitte-Links dominiert wird. Lega, SVP und FDP haben in Lugano das Sagen. Ein Blick in die jüngste Geschichte erklärt, warum Lugano anders als die grossen Kernstädte der Schweiz tickt.
Lugano ist mit rund 63'000 Einwohnern die neuntgrösste Stadt der Schweiz. Den Platz im Ranking hat sich die grösste Stadt der italienischsprachigen Schweiz, aber erst vor nicht zu langer Zeit erobert.
Wachstum dank Eingemeindung
Um die Jahrtausendwende lebten auf dem damaligen Stadtgebiet weniger als 30'000 Menschen. In drei Fusionswellen 2004, 2008 und zuletzt 2013 schlossen sich 15 Gemeinden der Stadt an. Mit den einverleibten Gemeinden wuchs die Bevölkerung auf zuletzt gut 63'000 Einwohner. Diese eingemeindeten «Quartiere» liegen teils mehrere Kilometer vom Zentrum entfernt und haben wenig mit einer urbanen Stadt zu tun. Bereits bevor sie sich Lugano angeschlossen hatten, dominierten die bürgerlichen Kräfte deren Politik.
Lega als Gewinnerin
Vor 30 Jahren wurde in Lugano die Protestpartei «Lega dei Ticinesi» gegründet. Ein Schlüsselmoment für die Politik in der Stadt, sagt der Politologe Oscar Mazzoleni, der an der Universität Lausanne die Regionalpolitik der lateinischen Schweiz untersucht. «Unternehmer Giuliano Bignasca antwortet mit der Lega auf eine soziale Frustration in der Stadt und im Tessin. Der Mittelstand und die Unterschicht erlebten einen wirtschaftlichen Abschwung und die SP konnte diese Entwicklung nicht für sich nutzen.»
Die Lega trieb die Gemeindefusionen ab den 2000er-Jahren voran, weil sie damals nur in der Stadt und nicht in den Gemeinden vertreten war, sagt Mazzoleni, und sei so als grosse Gewinnerin aus den Fusionen hervorgegangen.
Seit der Lega-Gründung 1991 liegt sonntäglich die Parteizeitung «Il Mattino della Domenica» der Lega auf. Die Gratis-Zeitung erscheint einer Auflage von mehreren Zehntausend Stück und prägt den Diskurs in der Stadt.
Die Wirtschaft in Lugano
Auch wenn das einst blühende Bankgeschäft, mit dem Wegfall des Bankgeheimnisses für Ausländer einen herben Rückschlag erlitt, ist Lugano heute noch der drittgrösste Finanzplatz der Schweiz. Heute sind in der Stadt vor allem Treuhänder und Finanzdienstleister ansässig. Diese Beschäftigten dieser Branchen orientierten sich üblicherweise an einer bürgerlichen Politik.
Die Stadt ist auch dank vieler KMU mit wenigen Angestellten das Wirtschaftszentrum des Kantons. Dies ganz im Gegensatz zum Hauptort Bellinzona, wo die Verwaltung beherbergt ist – eine Wählerschaft, die oft eher Mitte-Links wähle, sagt Oscar Mezzoleni.