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Politiker fordern Aufklärung Die Rufe nach einer Crypto-PUK werden lauter

Die SP will mit einer parlamentarischen Initiative eine Parlamentarische Untersuchungskommission PUK fordern. Auch die Grünen wollen eine PUK. Andere Parteien sind zurückhaltender.

Unter der Bundeshauskuppel rumpelt es gehörig wegen der Crypto-Leaks. Von links bis rechts sind die Parteispitzen erschüttert über die Enthüllungen der Rundschau. SP-Präsident Levrat zeigt sich erstaunt über das Ausmass der Affäre. Schon länger habe man gewusst, dass die Crypto AG Beziehungen zur CIA gehabt hatte. Eine neue Dimension sei, dass über Jahrzehnte sogar Verbündete der USA abgehört worden seien – im Wissen der Schweiz.

Cryptoleaks kurz erklärt

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  • Über Jahrzehnte wurden über hundert Staaten von CIA und BND ausspioniert.
  • Hunderttausende geheime Nachrichten zwischen Regierungsstellen, Behörden, Botschaften oder militärischen Stellen wurden systematisch abgefangen.
  • Wie war das möglich? Die über 100 Regierungen kauften Verschlüsselungsgeräte der ehemaligen Zuger Firma Crypto AG.
  • Diese Chiffriergeräte waren so manipuliert, dass die beiden Geheimdienste alles abhören konnten.
  • Denn: Neu geleakte Geheimdienst-Dossiers belegen, dass die Crypto AG 1970 von der CIA und dem BND gekauft worden war – verschleiert über eine Stiftung in Liechtenstein. Das zeigen Recherchen der «Rundschau», dem ZDF und der «Washington Post».
  • Mit Hilfe der abgehörten, vermeintlich verschlüsselten Kommunikation etlicher Staaten wurde die Weltpolitik beeinflusst, so z.B. die Camp-David-Verhandlungen 1979.
  • Aufgrund der Recherchen leitete der Bundesrat nun eine Untersuchung ein.
  • Das Wirtschaftsdepartement sistierte die Generalausfuhrbewilligung für Crypto-Geräte.

Deshalb will die SP nicht mehr lange warten und fordert offen eine PUK. Heute Nachmittag hat sie eine entsprechende Parlamentarische Initiative veröffentlicht. Diese will sie in der Frühjahrssession einreichen. Die Initiative enthält einen Katalog mit Fragen, die die PUK untersuchen soll. Unter anderem will die SP wissen, was der Nachrichtendienst und auch der Bundesrat wann gewusst haben. Levrat meint dazu: «Eine PUK ist das stärkste Instrument, welches das Parlament in seinen Händen hat. Wir können Zeugen einvernehmen, wir können Dokumente beschlagnahmen. Es scheint mir das richtige Instrument zu sein, um hier gröberen Schaden von der Schweiz abzuwenden.»

Auch Grüne wollen eine PUK

Auch die Grünen pochen auf eine PUK. Schon gestern Abend hat Fraktionschef Balthasar Glättli sie gefordert. Für ihn ist sie die einzige Möglichkeit, die Affäre lückenlos zu klären. Von einer Untersuchung nur durch die Geschäftsprüfungsdelegation, kurz GPDel, die den Nachrichtendienst beaufsichtigt, hält er wenig.

Denn auch die Rolle der Aufsicht über den Geheimdienst müsse geklärt werden. Die GPDel könne sich nicht selbst einen Persilschein ausstellen, so Glättli. Er will die Situation noch diese Woche im Büro des Nationalrates zur Sprache bringen und hofft auf ein parteiübergreifendes Vorgehen.

Rechts der Mitte verhaltenere Reaktionen

Auch ausserhalb des Links-Grünen Lagers sorgen die Cryptoleaks für rote Köpfe. So sagt etwa SVP-Präsident Albert Rösti: «Aus der Sicht eines neutralen und souveränen Kleinstaates geht das natürlich gar nicht.» Es brauche eine lückenlose Aufklärung.

Was ist eine PUK?

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Alt-Bundesrat Moritz Leuenberger, damals noch Nationalrat, präsentiert 1989 die Ergebnisse der PUK zum «Fichen-Skandal».
Legende: Keystone

Im Rahmen der Aufgabe der Oberaufsicht über den Bundesrat, die Bundesverwaltung, die eidgenössischen Gerichte und anderen Bundesorganen kann die Bundesversammlung eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) einsetzten. Der Nationalrat und der Ständerat haben das Recht, eine PUK einzusetzen, um Vorkommnisse von grosser Tragweite abzuklären.

PUK haben weitreichende Kontrollrechte, so dürfen sie Akten einsehen und Hearings (Befragung von Beamten, Anhörung von Fachleuten) durchführen, doch dabei ist die Untersuchung auf die Abklärung einer bestimmen Frage beschränkt.

Wichtig ist der Grundsatz, dass eine PUK kein Strafgericht und auch keine Disziplinarbehörde ist. Die Einsetzung erfolgt in der Form eines einfachen Bundesbeschlusses. Initiiert wird dieser Beschluss auf dem Weg einer parlamentarischen Initiative eines Ratsmitgliedes resp. einer Fraktion oder einer Kommissionsinitiative. Die Einsetzung erfolgt nach Anhörung des Bundesrats.

Die bisherigen PUK

Bisher wurden in der Schweiz vier Parlamentarische Untersuchungskommissionen eingesetzt:

  • 1964: Untersuchung des fragwürdigen Vorgehens bei der Beschaffung von Mirage-Kampfflugzeugen («Mirage-Affäre»)
  • 1989: Untersuchung – im Zusammenhang mit den Ereignissen um den vorzeitigen Rücktritt von Bundesrätin Elisabeth Kopp, der Amtsführung des EJPD (insb. der Bundesanwaltschaft), und des Vorgehens bei der Bekämpfung der Geldwäscherei und des internationalen Drogenhandels (vgl. «Fichen-Affäre»).
  • 1990: Untersuchung der Tätigkeit des militärischen Nachrichtendienstes, der Führung von Personendateien im Eidg. Militärdepartement und des Vorhandenseins geheimer Widerstandsorganisationen und ausserordentlicher Nachrichtendienste (Geheimarmeen P-26 und P-27).
  • 1996: Untersuchung der Organisations- und Führungsprobleme bei der Pensionskasse des Bundes und der Amtsführung des Eidgenössischen Finanzdepartementes.

(vimentis.ch)

Auch FDP-Chefin Petra Gössi war schockiert, als sie gestern die Nachrichten über die Machenschaften der Crypto-AG gelesen hat. Für sie ist das wichtigste, möglichst schnell Informationen zu haben, was die letzten Jahrzehnte passiert sei. Deshalb ist für sie eine PUK eine «ernsthaft zu prüfende Option». Auch Rösti schliesst eine PUK nicht aus, möchte sie aber gleichzeitig auch nicht fordern. Man müsse zunächst in der Fraktion diskutieren, ob es dieses stärkste Instrument brauche.

CVP zurzeit gegen eine PUK

Einzig und allein bei der CVP sieht man aktuell keine Notwendigkeit für eine PUK. Die Mitte-Fraktionschefin Andrea Gmür sieht zunächst den Bundesrat in der Pflicht. Und da dieser bereits eine Untersuchung unter Alt-Bundesrichter Niklaus Oberholzer ins Leben gerufen habe, müsse man zunächst auf deren Ergebnisse warten.

Tagesschau; 12.2.20; 19:30 Uhr

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