65 Prozent der Wohnungen in der Gemeinde Pontresina (GR) sind Zweitwohnungen. Tendenz steigend. Jetzt sollen die Besitzerinnen und Besitzer solcher Liegenschaften über das Portemonnaie mithelfen, die Wohnungsnot der Einheimischen zu lindern – so die Idee der Gemeinde.
Angedacht ist eine Zweitwohnungssteuer. Sie würde aufgrund des Liegenschaftswerts errechnet: «Wir möchten ein abgestuftes System. Das heisst, je intensiver eine Wohnung genutzt wird, desto tiefer wird die Steuer ausfallen», erklärt Gemeindepräsidentin Nora Saratz Cazin. Je häufiger die Zweitwohnung genutzt wird, desto weniger Steuern sollen bezahlt werden müssen.
Für Einheimische immer enger
Es sei höchste Zeit, etwas zu unternehmen. Der Markt der Zweitwohnungen boome immer noch. Die Gemeindepräsidentin zeigt auf ein Gebäude: «Diese Liegenschaft wurde aufgekauft. Da wohnten nur Einheimische in ihrer Erstwohnung. Der neue Inhaber möchte das Gebäude aber abreissen und eine neue Liegenschaft mit Zweitwohnungen und nur noch einer Erstwohnung sowie einem Gewerberaum bauen.»
Mit der Idee einer Zweitwohnungssteuer sorgt Pontresina für Erstaunen. Nur ein paar Kilometer weiter, in der Nachbargemeinde Silvaplana, wurde dieselbe Idee vor ein paar Jahren schon einmal durchgespielt – ohne Erfolg.
In Silvaplana hat Steuer nicht funktioniert
Silvaplana wollte eine Steuer einführen. Eine Gruppe Zweitwohnungsbesitzer wehrte sich aber bis vor Bundesgericht. Die Gemeinde bekam zwar Recht, die Zweitwohnungsbesitzerinnen drohten aber mit Boykotten.
Gemeindepräsident Daniel Bosshard erinnert sich: «Die Zweitwohnungsbesitzer sagten, sie erteilen keine Aufträge mehr an lokale Handwerker und Betriebe. Das heisst, ein Elektriker oder ein Maler hat keine Aufträge mehr bekommen von den grossen Stockwerkeigentümergesellschaften oder den Hausbesitzern.» Die Gemeinde zog die Sondersteuer wieder zurück.
Zurück nach Pontresina: Den Druck, den die Gemeinde Pontresina auf Zweitwohnungsbesitzende aufsetzen will, versteht man beim Hauseigentümerverband Oberengadin nicht. Geschäftsführer Andry Niggli findet es gefährlich, weil die Immobilienbesitzerinnen und -besitzer schon viele Abgaben haben, zum Beispiel die Liegenschaftssteuer oder die Kurtaxen.
Das sind treue Gäste in Pontresina und im Oberengadin.
«Dass man die gleiche Gruppe wieder schröpft, finde ich falsch. Das sind treue Gäste in Pontresina und im Oberengadin. Sie unterstützen die Kultur, sie unterstützen den Sport. Wenn man übertreibt, kommt irgendwann die Retourkutsche», heisst es beim Hauseigentümerverband.
Zweitwohnungen für Einheimische?
Gemeindepräsidentin Nora Saratz Cazin ist sich des Spagats durchaus bewusst. Sie will die Abwanderung aus dem Dorf unbedingt stoppen und wünscht sich eine grosse Portion Solidarität von allen: «Wir hoffen zu erreichen, dass sich Zweitwohnungsbesitzer in Pontresina dafür entscheiden, ihre Wohnungen wieder den Einheimischen zur Verfügung zu stellen.»
Wir wollen warme und keine kalten Betten.
Wer das nicht könne oder wolle, solle die Wohnung wenigstens so oft wie möglich nutzen: «Wir wollen warme und keine kalten Betten.»
Über die definitive Einführung der Steuer wurde noch nicht entschieden. Im Januar wird ein öffentliches Mitwirkungsverfahren gestartet. Falls es danach zu einer Abstimmung kommt, wäre diese frühestens im Herbst.