Der beliebte Ausflugsort: Wer deutsche Serien oder Filme sieht oder wer sich mit deutschen Bekannten unterhält, hört regelmässig «vom Baggersee». Solche Seen sind beliebte Naherholungsorte und bieten gerade im Sommer bei Hitze eine willkommene Abkühlung. Vor allem in Deutschland und Frankreich gibt es unzählige dieser künstlich geschaffenen Seen. In der Schweiz sind Baggerseen hingegen seit den 1990er Jahren verboten. Dies, obwohl auch hierzulande nicht alle einen schnellen und kostenlosen Zugang zu einem See oder einem Fluss haben.
Grundwasser speist den See: Um das Schweizer Verbot zu verstehen, muss die Entstehung solcher künstlichen Seen verstanden werden. Am Ursprung eines Baggersees steht eine Grube, in der Kies oder Sand abgebaut wird. In den Nachbarländern werden solche Gruben bis zum Grundwasserspiegel ausgehoben. Fortan füllt das Grundwasser die Baggerseen mit Wasser. «Das Grundwasser ist dort also in Kontakt mit der Oberfläche», sagt Lea Knecht, die Leiterin der Sektion Grundwasser, Boden und Geologie beim Kanton Aargau. In der Schweiz ist das Baggern bis zum Grundwasser dagegen verboten.
Schutz des Trinkwassers: Durch Sonnencreme der Badenden oder durch menschliche Ausscheidungen kann das Grundwasser verschmutzt werden. Dies will die Schweizer Gesetzgebung verhindern. «Man möchte das Trinkwasser optimal schützen. Deshalb ist eine sogenannte Trockenschutzschicht unerlässlich», sagt Lea Knecht. Dies bedeute, dass in der Schweiz über dem höchstmöglichen Grundwasserspiegel immer einige Meter Kies belassen werden, damit das Trinkwasser geschützt bleibt. Die Schweizer Gruben werden deshalb nicht mit Wasser aufgefüllt, sondern meistens wieder zu dem gemacht, was vorher dort zu finden war, also Landwirtschaftsland oder Wald.
Raumplaner befürwortet Baggerseen: Öffentliche Räume, wie frei zugängliche Seeufer, würden in der immer stärker verdichteten Schweiz wichtiger, findet Mathis Füssler. Der Raumplaner ist Geschäftsführer des Schweizerischen Werkbunds, einer Organisation, die sich mit der gestalterischen Entwicklung der Schweiz beschäftigt. Er sagt: «Baggerseen sind gut für das Gemeinwohl. Und Baggerseen könnten ein wichtiger Ort für die regionale Identität und Gestaltungskultur sein.» Deshalb findet es Füssler schade, dass in der Schweiz nicht möglich ist, was in Deutschland oder Frankreich Tausende nutzen. Offenbar gibt es dort weniger Bedenken, was das Grundwasser betrifft.
Angst vor Verschmutzung: Dass in der Schweiz mit dem Grundwasserschutz übertrieben wird, denkt Lea Knecht nicht. Die Grundwasserspezialistin betont: «Eingriffe oder Beeinträchtigungen des Grundwassers sind häufig irreversibel.» Sei das Grundwasser einmal verschmutzt, sei eine Sanierung enorm schwierig. Und Knecht weist darauf hin, dass auch in der Schweiz bei ausgebeuteten Kiesgruben zumindest auf einem Teil der Fläche wertvolle Lebensräume entstehen: «Man macht schon Badeseen, aber das sind Badeseen für den Glögglifrosch oder andere Tierarten.» In der Schweiz entstehen also neue Lebensräume für Amphibien und Insekten statt neuer Freiräume für Badende.