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Potenzial für mehr Wohnungen Die Schweiz braucht Raum – Schwerzenbach im Kanton Zürich hat ihn

Schwerzenbach nahe Zürich soll wachsen, doch viele fürchten um das Dorfgefühl. Eine Studie entfacht die Debatte neu.

Die Schweiz wächst. Das löst in weiten Teilen der Bevölkerung Unbehagen aus. Stichwort Dichtestress. Eine neue Studie im Auftrag des Vereins Urbanistica, der Vereinigung für schönen Städtebau, zeigt nun auf, welche Schweizer Gemeinde wie stark wachsen sollte.

Die Gemeinde mit dem grössten Potenzial ist Schwerzenbach. Der Ort nahe der Stadt Zürich, mit gut 5000 Einwohnerinnen und Einwohnern, hat landesweit das grösste Entwicklungspotenzial, so die Studie.

Auf einem Rundgang mit Architekturprofessor Vittorio Lampugnani durch Schwerzenbach erkennt er sofort Potenzial: «Man sieht Einfahrtsrampen, Parkplätze, ein paar verstreute Bäume. Ein Sammelsurium von Dingen, die überhaupt nicht zusammenhängen.» Ein seelenloses Industrieareal – ohne Plan, ohne Planung, ohne Vision.

Wohnraum für fast 900'000 Menschen

Vittorio Lampugnani war Architekturprofessor an der ETH und in Harvard. Er ist Mitglied von Urbanistica. Die Vereinigung setzt sich für eine nachhaltige Verdichtung ein. Unberührte Landschaftsfläche soll nicht zubetoniert werden, sondern bereits genutzte Siedlungsfläche soll entwickelt werden, ohne dass Grünfläche verloren geht.

Vittorio Lampugnani vor einer Wiese in Schwerzenbach.
Legende: Hier im Industrieareal in der Nähe des Bahnhofs Schwerzenbach sieht der Architekturprofessor Vittorio Lampugnani grosses Verdichtungspotenzial. SRF / Dominik Steiner

Darum müssten sich vor allem Agglomerationsgemeinden wie Schwerzenbach wandeln. Sie sind gut angebunden an den öffentlichen Verkehr und bieten noch Platz. In der Agglomeration könne Wohnraum für fast 900'000 Menschen entstehen, ohne dass die Orte an Lebensqualität einbüssen, so Vittorio Lampugnani.

«Mut zur Stadt» schreckt viele ab

«Verdichtung ist eine Win-Win-Situation für die Gemeinschaft und jeden Einzelnen.» Eine gelungene Verdichtung schaffe neue Quartiere, neues Leben. Schwerzenbach solle Schwerzenbach bleiben, sagt Lampugnani. «Aber es soll ein Ort werden, der eine gewisse Dichte und Urbanität hat.»

Schwerzenbach ist in der DNA ein Dorf.
Autor: Martin Hermann Gemeindepräsident Schwerzenbach

Klingt gut. Doch diese Ideen auf den lokalpolitischen Boden zu bringen, ist keine leichte Aufgabe. Das weiss Martin Hermann, Gemeindepräsident von Schwerzenbach. Raumplanung sei das eine. Verdichtung sei aber auch ein gesellschaftspolitisches Projekt. «Das braucht Zeit.»

Der Slogan «Mut zur Stadt» schreckt hier in Schwerzenbach viele Einwohnerinnen und Einwohner ab. «Schwerzenbach ist in der DNA ein Dorf. Dem wollen wir auch Sorge tragen», sagt Gemeindepräsident Hermann.

Meinungen in der Bevölkerung gehen auseinander

Wobei die Meinungen in der Bevölkerung offenbar auseinandergehen, wie eine kurze Umfrage vor Ort zeigt. Ein Teil zeigt sich tatsächlich skeptisch: «Schwerzenbach soll eine Wohlfühloase bleiben. Ja nicht zu viel bauen», sagt ein Mann. Eine ältere Frau sagt: «Schwerzenbach soll so bleiben, wie es ist.»

Martin Hermann beim Bahnhof Schwerzenbach
Legende: Vor Ort gehe es nicht um städtebauliche Visionen, sondern um Dinge wie Richtpläne oder die Bau- und Zonenordnung, sagt Gemeindepräsident Martin Hermann. SRF / Dominik Steiner

Andere zeigen sich durchaus offen für mehr Urbanität. «Es wäre cool, wenn hier mehr Leute leben würden», sagt eine Frau. Eine andere Schwerzenbacherin gibt zu bedenken: «Es wäre gut, wenn wir etwas höher bauen würden. Hier sind keine Häuser mehr frei.»

Schwerzenbach hat sicherlich Verdichtungspotenzial, laut dem Forschungsinstitut Sotomo gar das grösste im ganzen Land. Doch ob aus dem Potenzial auch wirklich neuer Wohnraum entsteht, entscheidet sich nicht in Studien, sondern in Sitzungen, Verhandlungen und Abstimmungen.

Echo der Zeit, 1.10.2025, 18 Uhr ; 

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