Zum Inhalt springen

Präsidentenwahl in Frankreich Im «Franzos» sieht man französische Politiker kritisch

Ein Blick in die Befindlichkeit von Franzosen in Zürich – und auf ihre Gründe, wieso sie das Heimatland verlassen haben.

Der «Franzos» ist ein Bistrot in Zürich – ganz à la française. Croque-monsieur gibt's dort unter anderem zu essen, dazu trinkt man Pastis oder Monaco, das beliebte Apérogetränk.

Das Bistrot ist ein Treffpunkt für Frankophile aller Art: für Liebhaberinnen französischer Kost wie auch für Franzosen – vor und hinter dem Tresen. Von der Wand blicken Brigitte Bardot, Jean-Paul Belmondo und Serge Gainsbourg.

Grosse Distanz zu den Politikern

Zwischen den Tischen wirbelt Sophie. Sie stammt aus Südfrankreich. Liebe und Arbeit haben sie in die Schweiz geführt. Schon 13 Jahre ist das her, Zürich ist ihr neues Zuhause geworden. Doch die Verbindung zur alten Heimat ist geblieben, auch wenn sich der Blick darauf verändert hat.

Erster Wahlgang am 10. April

Box aufklappen Box zuklappen

Am 10. April findet der erste Wahlgang der französischen Präsdidentenwahl statt. Dann entscheiden auch die mehr als 145'000 Französinnen und Franzosen in der Schweiz, wen sie wählen. Laut Umfragen in Frankreich werden Amtsinhaber Emmanuel Macron die besten Chancen eingeräumt. Er dürfte die Wiederwahl allerdings erst im zweiten Wahlgang am 24. April schaffen. Die Chancen, dann gegen ihn anzutreten, stehen derzeit am grössten für Marie Le Pen.

Die Schweiz, das sei mehr Liberalismus und mehr Nähe zu Politikerinnen und Politikern, sagt Sophie etwa. «In Frankreich hat man den Eindruck, man habe es ständig mit einer politischen Elite zu tun, die nichts mit uns gemein hat.» Diese französische Politikerkaste sei weit weg vom Alltag der Menschen. «Man trifft sie ganz sicher nicht im Tram an.»

Frankreich braucht dringend Reformen

Diese Elite in Frankreich sollte sich mehr um die Jungen kümmern, sagt Mohammed. Der Marseillais lebt seit fünf Jahren in der Schweiz und ist im Rohstoffhandel tätig. Er sitzt an einem Tisch und betont: «Ich bin Patriot!» Und Frankreich sei eines der schönsten Länder der Welt.

Aber es brauche Reformen, so Mohammed. Und bessere Löhne. Er verstehe es, wenn ein Ingenieur, der nach fünf, sechs oder sieben Jahren Studium nur 1500 oder 1800 Euro verdiene, lieber in der Schweiz oder in London arbeiten wolle.

Die Leute wollten keinen Tiefgang mehr, sondern leichte Kost. Nichtiges.
Autor: Sébastien In Zürich lebender Filmemacher

Wird der Blick kritischer aus der Ferne? Oder treibt der kritische Blick in die Ferne? «Ich musste weg, andere Mentalitäten finden», sagt Sébastien, der Filmemacher. Er habe wegmüssen aus seinem Land, das kulturell verarmt sei, wie er findet.

«Das Fernsehen, das Radio, einst Horte der Kultur, des Talents, sind es nicht mehr», sagt Sébastien. Die Leute wollten keinen Tiefgang mehr, sondern leichte Kost. Und letztlich Nichtiges.

Wer erträgt eine solche Kakofonie?

Sophie sagt, sie habe neulich eine der Wahlkampfdebatten geschaut, zwischen der Konservativen Valérie Pécresse und dem Rechtsextremen Éric Zemmour. «Ich konnte mir das nur fünf Minuten ansehen.» Sie habe diese Kakofonie nicht ertragen.

Es gebe heute keine wirklichen Debatten mehr, fährt Sophie fort. Das Ziel sei wohl einfach, möglichst laut zu schreien. Und fährt fort: «Von Politikern würde ich wirklich anderes erwarten.»

Wählen wird Sophie nicht gehen. Dafür sei sie schon zu lange zu weit weg, sagt sie.

SRF 4 News, HeuteMorgen, 30.03.2022, 06:00 Uhr

Meistgelesene Artikel